Fahrzeugkontrollen, Betrunkene, Ruhestörungen - Abendblatt-Reporter begleitet zwei Polizisten durch ihre Schicht

Uetersen. Das Städtchen kenne ich schon, seit ich im Nachbarort meiner Kindheit und Jugend verbracht habe. Aber so habe ich Uetersen noch nie erlebt - aus dem Blickwinkel des Auges des Gesetzes. Drei Augenpaare spähen aus dem Mercedes Vito auf die abendliche Szenerie. Zwei davon gehören Hartwig Brandt, 54, und Daniel Staak, 31, und die haben den professionellen Polizistenblick. Der Polizeihauptmeister am Steuer des Streifenwagens und der Polizeimeister auf dem Beifahrersitz reden wenig, ihre Köpfe vor mir wandern in stetem Rhythmus wie Überwachungskameras hin und her.

Das hier ist ihr Revier, ihnen entgeht nichts. Der Renault vor uns aber fällt auch mir sofort auf. Es ist 21.30 Uhr, und der Fahrer fährt in wechselndem Tempo und laufend seine Richtung ändernd durch die noch belebten Straßen in Uetersen-Ost. An der Kreuzung bei der Papierfabrik gibt der Fahrer Gas und biegt bei Dunkelgelb nach rechts Richtung Moorrege ab. Brandt beschleunigt ebenfalls, klemmt sich hinter den Renault, gibt dem Fahrer Anhaltezeichen. Der Wagen stoppt kurz vor der Klappbrücke.

Was folgt, ist eine Allerweltskontrolle, darf aber keine Routine werden. Die Ordnungshüter wissen, dass jede Situation urplötzlich eskalieren kann. Im Vorgespräch haben wir über den Polizeikollegen gesprochen, der vor ein paar Tagen bei der Verfolgung eines Verkehrssünders in Baden-Württemberg erschossen worden war. "Wer Angst hat, ein Auto zu kontrollieren, der kann gleich aufhören", sagt Brandt, der schon seit 35 Jahren in Uetersen Dienst tut. Kollege Staak nennt es "der Lage angemessen angespannt zu sein": "Wenn wir in der Dunkelheit ein Auto mit fünf Männern kontrollieren, ist es gut einen Sicherer zu haben", sagt der 31-Jährige, "es ist viel Mistvolk auf der Straße unterwegs." Staak ist vom Gehweg aus der Sicherer für Brandt, der auf der Fahrerseite mit dem Renault-Fahrer spricht.

Wie sich herausstellt, hat sich der Ortsunkundige nur verfahren. "Rose 31/14", so unser Funkrufname, setzt seine Streifenfahrt fort. Um 18 Uhr haben Brandt und Staak ihre Zwölf-Stunden-Schicht begonnen. Parallel zu den beiden Uetersener Polizisten sind zwei Uniformierte in Tornesch unterwegs, vier in Wedel und der Marsch. Den ersten Einsatz des Abends hat "Rose 31/14" gegen 20.30 Uhr von der Einsatzleitstelle bekommen. In einem Mehrfamilienhaus am Ahornweg gibt es Streit unter Nachbarn. Einer beschwert sich über den anderen, weil er wegen des zu großen Lärms nicht in Ruhe Fernsehen könne. Ruhestörungen sind der Klassiker, gerade an Wochenenden. Brandt und Staak beeilen sich denn auch nicht besonders. Ein paar ermahnende Worte, dann ist der häusliche Frieden wieder hergestellt.

Inzwischen ist es nach 23 Uhr. Im Zickzack geht es durch Uetersen. Die Streifenwagenbesatzung kontrolliert Gewerbehöfe, fährt im Schritttempo durch die Fußgängerzone, leuchtet am Hafen eine Gruppe Jugendlicher an. Die jungen Leute stehen um eine Bank herum, alle Flaschen in der Hand, ein üblicher Treff. Solange die Jugendlichen keinen Radau machen, lässt die Polizei sie in Ruhe. Unter der Parkpalette, in völliger Dunkelheit, kreisen in einer anderen Gruppe die Flaschen. Die Polizisten kennen alle Treffpunkte. Wie überhaupt "gute Orts- und Personenkenntnisse so wichtig sind für Polizeiarbeit", wie Daniel Staak sagt.

23.20 Uhr, Brandt bremst auf der Mühlenstraße, setzt den Vito ein Stück zurück. Was ist los? Ich selbst habe nichts erkannt, wohl aber der erfahrene Schutzmann. In einer Einfahrt, halb in einer Hecke, sitzt ein Mädchen im T-Shirt. Eine männliche Person läuft weg. "Mach doch das Licht aus." Das Mädchen stammelt mehr. "Alles in Ordnung." Das wollen die Polizisten nicht so recht glauben. "Hast Du getrunken?" "Wissen Deine Eltern, dass Du hier bist?" Die 14-Jährige, deren Makeup verlaufen ist, hat eine Fete auf der anderen Straßenseite besucht. Die Teenagerin, nicht mehr ganz sicher auf den Beinen, wird zurück ins Haus geleitet. "Hatte wohl Stress mit ihrem Typen", glaubt Brandt, "wer weiß, was passiert, wenn sie da in der Hecke liegt."

Zwischendurch kehren die Beamten zur Polizeiwache zurück. Es gibt Kaffee, Staak gönnt sich eine Schüssel Kornflakes. Die Kollegen aus Tornesch kommen vorbei. "Heute sind wir 'Toto und Harry'", verkünden Brandt und Staak in Anspielung auf die Polizisten-Doku-Soap im TV. Die Serie sei okay, lieber noch gucken die echten Polizisten den Fernseh-Ordnungshütern beim "Großstadtrevier" und beim "Notruf Hafenkante" zu.

Um Mitternacht geht es in eines der Hochhäuser an der Klosterkoppel. Auch dort gab es eine Beschwerde wegen einer Ruhestörung, auch diesmal ist beim Eintreffen alles wieder ruhig. Kurz darauf schickt die Leitstelle Rose "31/14" an die Ahrenloher Straße. Unerträglich laute Partymusik ist von Nachbarn gemeldet worden. Hartwig Brandt und sein Tornescher Kollege Jochen Lang, der für diese Fahrt mit an Bord ist, lauschen in die Dunkelheit. Nichts ist zu hören. Dann wird die Party doch geortet, aus der Tür eines Doppelhauses kommt leise Musik. Die verkleideten Partygästen kommen zusammen, die Stimmung ist feucht-fröhlich, aber man ist sofort bereit, die Tür zu schließen und die Musik noch leiser zu drehen. "Feiert doch mit", werden die Polizisten aufgefordert.

Aber Dienst ist Dienst. Und kurz darauf passiert etwas, was die Polizisten ein paar Stunden beschäftigen wird. Außerhalb geschlossener Ortschaft steht ein Auto mit eingeschaltetem Fahrlicht neben der Ahrenloher Straße. Ein Unfall? Die Polizisten stoppen, treten an den Opel heran, leuchten hinein. Der Mann, der angeschnallt am Steuer sitzt, begreift überhaupt nicht, wer da neben ihm steht, reagiert gar nicht, kommt dann nur schwer aus dem Wagen heraus. Er taumelt, radebrecht mit osteuropäischem Akzent. Erst sagt er, er sei nicht gefahren, dann, ein Kollege sei gefahren, schließlich betont er, es sei doch nichts passiert. Das Alkoholmessgerät spricht indes eine eindeutige Sprache: Der 49 Jahre alte Pole mit Wohnsitz in Tornesch "pustet" 1,93 Promille. Auf der Wache bugsieren die Beamten den Volltrunkenen die Treppe hoch. Dem Mann wird von einem Arzt eine Blutprobe entnommen. Schließlich fahren die Polizisten ihn nach Hause. Weil sich sein Fahrzeug, das noch an der Landstraße steht, nicht verriegeln lässt und darin Werkzeuge liegen, lassen die Ordnungshüter den Opel abschleppen.

Es ist fast 3 Uhr, eine feucht-kalte Herbstnacht. In Uetersen hat der Streifenwagen jetzt die Straßen fast für sich. Die Kleinstadt schlummert friedlich. Hartwig Brandt und Daniel Staak sorgen noch drei Stunden dafür, dass es so bleibt.