Ein neues Gutachten zum Elmshorner Verwaltungsgebäude liegt vor und schafft neue Fakten. Der Erhalt wäre günstiger als ein Neubau.

Elmshorn. Spektakuläre Wende im Fall des denkmalgeschützten Rathauses von Elmshorn. Eigentlich hatte die Politik der Krückaustadt beschlossen, einen neuen Standort zu suchen und das alte Rathaus aus dem Jahr 1967 aufzugeben. Jetzt schafft ein Gutachten der Lübecker Architekten "Petersen, Pörksen, Partner" nach Informationen des Abendblattes ganz neue Fakten. Eine grundlegende Sanierung des Verwaltungsbaus sei möglich und vor allem deutlich günstiger als alle anderen bisher diskutierten Varianten, heißt es aus Kreisen einer Spitzenrunde, die im Rathaus tagte.

An der Seriosität bisheriger Gutachten kommen jetzt Zweifel auf

Bisher ging man vom entgegengesetzten Fall aus: Die Kosten des Neubaus seien geringer als die der Sanierung, hieß es. Laut Gutachten würde die grundlegende Sanierung nur zwölf Millionen Euro kosten, die Kosten für einen möglichen Neubau bezifferten die Lübecker Experten hingegen auf 14,5 Millionen Euro. Bürgermeisterin Brigitte Fronzek bestätigte die im Raum stehenden Kosten für die Sanierung. "Wir werden die Kalkulation aber verwaltungsintern mit unseren Erfahrungswerten prüfen", sagte sie dem Abendblatt. In der Kostenschätzung seien einige kritische Punkte wie Umzugskosten enthalten, die möglicherweise angepasst werden müssten. Eine abschließende Bewertung sei deshalb noch nicht möglich, letztendlich müsse die Politik entscheiden.

Und die kommt durch das neue Gutachten ins Grübeln. Andreas Hahn, CDU-Fraktionsvorsitzender, ist von den neuen Zahlen überrascht: "Es sieht so aus, als ob wir den ganzen Prozess neu aufrollen und bisherige Beschlüsse in Frage stellen müssten". Zudem seien Zweifel an der Seriosität bisheriger Gutachten aufgekommen, heißt es. Fällt nun der September-Beschluss, das Rathaus aufzugeben?

Die SPD, die von Anfang eine Neubauvariante bevorzugte und die größte Fraktion im Stadtverordneten-Kollegium stellt, ist noch vorsichtig: "Die neuen Zahlen sind interessant, wir werden uns aber nicht allein auf eine Kalkulation verlassen", sagte Beate Raudies, SPD-Fraktionsvorsitzende. "Im Übrigen machen wir unsere Entscheidung nicht allein von den Kosten abhängig." Es zähle ein Gesamtkonzept. Das aufwendige Gutachten, für das zahlreiche Experten angehört wurden, hatte das Landesamt für Denkmalpflege in Auftrag gegeben. Es liefert erstmals eine Sanierungsgrundlage im Einvernehmen mit den Anforderungen des Denkmalschutzes. Der Charakter des Hauses bliebe demnach erhalten, die Substanz würde aber zum Teil erneuert. Decken und Fußböden, Rohrsysteme und Technik müssten ersetzt und auf den neusten Stand gebracht werden. Die Fassade würde komplett ausgetauscht, die Schadstoffe beseitigt. Im Frühjahr war eine Belastung des Rathauses mit dem Gift Formaldehyd festgestellt worden, auch Asbestspuren finden sich im Bau. "Unser Entwurf würde das Haus energetisch und auch aus Sicht des Brandschutzes auf einen modernen Stand bringen", sagt Johannes Stüler vom Lübecker Architektenbüro. Er plädiere nicht nur aus Kostengründen, sondern auch bezüglich des Standorts für eine Sanierung. "Einen Rathausneubau auf der grünen Wiese halten wir für wenig sinnvoll", sagt Johannes Stüler. Um auch die Platzprobleme im jetzigen Rathaus zu lösen, sieht der Entwurf einen einzeln stehenden Schwesterbau auf dem Rathausplatz vor.

Für die Bauarbeiten müsste die Verwaltung das Gebäude allerdings für neun Monate komplett verlassen und Büroflächen in der Stadt anmieten.

Die Stadt würde mit der jetzt vorgeschlagenen Sanierung auch einen teuren Schadensersatzprozess mit dem Architekten Dieter Rogalla aus dem Weg gehen. Er kritisierte bis zuletzt die baulichen Veränderungen, die in den Jahren der Nutzung ohne sein Einverständnis vorgenommen wurden und drohte mit Klage wegen Urheberrechtsverletzungen. Allein hier drohten Kosten in fünf- bis sechsstelliger Höhe. "Dieser Entwurf ist aber in meinem Interesse. Von einer Klage würde ich, wenn der Entwurf in dieser Form in die Ausführung geht, absehen", sagte Rogalla im Gespräch mit dem Abendblatt.

Am kommenden Dienstag soll der Hauptausschuss der Stadt das Gutachten erstmals beraten.