30 Firmen, darunter das Traditionsunternehmen Binné unterzeichnen einen offenen Brief und sagen: Die Innenstadt muss endlich entlastet werden.

Pinneberg. Thilo Binné erinnert sich noch daran, wie sein Vater ihm als Kind mit Blick vom Firmengelände über die Pinnauniederung gezeigt hatte, wo die Pinneberger Westumgehung verlaufen soll. Seit sage und schreibe mehr als 50 Jahren ist die Umgehungsstraße, die den Westring/LSE mit der Anschlussstelle Pinneberg-Nord an der A 23 verbinden soll, in Planung. Thilo Binné, der inzwischen als Geschäftsführer mit Michael Binné in sechster Generation die Geschicke des Traditionsunternehmens leitet, will aktiv daran mitwirken, den Bau der Westumgehung endlich zu realisieren. Er gehört zu den führenden Vertretern von 30 Firmen, die einen offenen Brief der Initiative "Pinneberg - Westumgehung jetzt!" unterzeichnet haben. Darin heißt es als zentrale These: "Die Westumgehung ist eine Investition in die Zukunft unserer Stadt - die wichtigste Voraussetzung für weitere Entwicklung überhaupt."

Die Chefs des Großunternehmens mit Sitz an der Mühlenstraße, das bereits 1894 mit der Produktion von Dachpappe begonnen hatte, wissen ein Lied von den Folgen der Verkehrsengpässe in der Kreisstadt zu singen: Annähernd 30 Sattelzüge fahren täglich zu und von der Firma ab, rechnet Michael Binné vor. "Und alle diese Lkw fahren oder besser quälen sich durch die Innenstadt", ergänzt Thilo Binné. Abgesehen von unternehmerischen Nachteilen verweisen die Pinneberger auf die negativen Folgen für die Anwohner: "Die Straßen werden verstopft, es werden Lärm und Feinstaub produziert, die Anlieger der Mühlenstraße und des Thesdorfer Weges leiden unter dem Verkehr Richtung Autobahn."

Die Unternehmer wollen es nicht beim Offenen Brief belassen, den unter anderem namhafte Firmen wie Fahnenfleck, Tempelmann und Harms Mineralöle unterschrieben haben. Thilo und Michael Binné wollen auf Unternehmerebene das Gespräch mit den Kollegen suchen, die gegen den Anfang 2010 gefassten Planfeststellungsbeschluss zum Bau der drei Kilometer langen Umgehungsstraße geklagt hatten. Nach Informationen des Abendblatts handelt es sich, zusammen mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz, um mehrere an der Industrie- und an der Siemensstraße ansässige Firmen. "Diese Firmen haben eventuell zunächst Kosten zu tragen, aber insgesamt profitieren wir Unternehmen alle von der Westumgehung", sagt Michael Binné.

Kurt Zach von den Westumgehungsbefürwortern wirft den Klägern vor: "Sie verstecken sich!" Für die Öffentlichkeit blieben die Beweg- und Kritikgründe der Kläger im Dunkeln. Die Initiative "Westumgehung - Jetzt" hatte bereits im vergangenen Herbst versucht, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Schleswig beigeladen zu werden, was das Gericht jüngst abgelehnt hatte. Begründung: Rechtliche Interessen des Vereins seien nicht berührt. Dabei vertreten die Pro-Westumgehungsaktivisten nach eigener Darstellung "die schweigende Mehrheit der Stadt"; haben bereits mehr als 5000 Unterstützerunterschriften gesammelt. "Die Gegner sehen wir ja nicht auf der Straße", so Kurt Zach. "Einige wenige Einzelinteressen können durch ihre Klagen den Baubeginn rechtens auf unbestimmte Dauer aufhalten", heißt es in einer Stellungnahme zur Ablehnung einer Beiladung. Im offenen Brief der Pinneberger Unternehmer steht: "Einzelinteressen haben hinter dem Gemeinwohl zurückzustehen."

Kurt Zach beklagt im Namen der Initiative auch die "abwartende Haltung der IHK". Ein Punkt, an dem Thilo Binné ebenfalls ansetzen und das Gespräch mit Ulrich Grobe, Leiter der Geschäftsstelle Elmshorn der Industrie- und Handelskammer, suchen will.

Die Binné-Geschäftsführer haben vor allem die ständig verstopfte Mühlenstraße vor ihrer Haustür im Blick: "Der ganze Durchgangsverkehr fährt hier durch, und wir bezahlen die Zeche." Die Firma war bei der Sanierung der Einfallstraße als Anlieger kräftig zur Kasse gebeten worden.

Die Pinneberger Politik soll jetzt die Verwaltung beauftragt haben, den sogenannten Sofortvollzug der Baumaßnahme vorzubereiten. Der amtierende Bürgermeister Klaus Seyfert (CDU) wollte dies nicht bestätigen - mit Verweis auf einen vertraulichen Vorgang in nicht öffentlicher Sitzung. Zuletzt war bekannt geworden, dass das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht noch nicht hatte terminiert werden können, weil der fraglichen Kammer langfristig, vermutlich bis 2012, ein Richter fehlt. Seyfert: "Darüber haben wir alle den Kopf geschüttelt."