Eine Glosse von Harry Grunwald

Jeder sechste Deutsche war noch nie im Internet, las ich vor einigen Tagen in der Zeitung. Geradezu entsetzlich, wie kann man so heute noch überleben? Kein Online-Banking, kein Facebook, keine E-Mails, keine Internet-Ballerspiele. Ein karges Leben muss das sein.

Wie mag so ein Internet-Verweigerer aussehen? In unserem Eingang wohnen sechs Mietparteien, einer unserer Nachbarn müsste also - rein statistisch gesehen - die Segnungen des Internets boykottieren.

Ich selbst als fast schon Internet-Süchtiger scheide aus, es bleiben also fünf Kandidaten. Mein Nachbar Fred? Der schon gar nicht, manchmal höre ich noch nachts um 3 Uhr das Piepen und Scheppern seiner Internet-Spiele. Der dynamische Mittfünfziger unter mir, das junge Paar mit den zwei Kindern und sogar die alte Frau Peters sind ebenfalls online, ich weiß das von nachbarlichen Klönschnacks im Treppenhaus.

Bleibt also nur noch der bärtige Typ direkt über mir. Er hat auch kein Auto, sondern fährt mit einem uralten klapperigen Fahrrad herum, womöglich hat er noch nicht einmal ein Telefon. Zu Jeans von unbestimmter Farbe trägt er zottelige Pullover. Hin und wieder schleppt er Berge von Büchern auf seinem Fahrrad heran, wenn er die alle liest, hat er sowieso keine Zeit für das Internet. Merkwürdig nur, dass er einen so ruhigen und zufriedenen Eindruck macht. Ganz so schrecklich kann das Offline-Leben dann doch nicht sein.