Mit einer Konzertreihe setzt Rellingens Kantor Oliver Schmidt frische musikalische Akzente

Rellingen. Noten sind Oliver Schmidt näher als Buchstaben. Und zwar schon seit frühester Jugend. "Buchstaben konnte ich mit sechs Jahren lesen, Noten mit fünf", sagt der 38-Jährige. Für seinen Arbeitsalltag ist diese Affinität äußerst praktisch: Schmidt ist Kantor an einer der schönsten und akustisch interessantesten Kirchen im Kreis Pinneberg, jener in Rellingen. Nach einem knappen halben Jahr an den Registern hat der bekennende Orgelfan sich eingelebt, sein Studium mit der A-Prüfung abgeschlossen, eine Wohnung in Pinneberg gefunden. Jetzt will er mit einer neuen Konzertreihe frischen Wind durch die blanken Pfeifen pusten.

"12 mal 19" heißt die Serie, in der Schmidt an jedem 19. eines Monats, immer ab 19 Uhr, Sängern, Instrumentalisten und Ensembles aller musikalischen Richtungen Gelegenheit geben will, sich und ihre Arbeit vorzustellen. Die Konzerte dauern etwa eine Stunde. Der Eintritt ist frei, Spenden aber erwünscht. Sollte genug Geld zusammenkommen, will Schmidt damit im kommenden Jahr renommiertere Solisten für die Reihe finanzieren. Die Premiere gestaltet er selbst.

Unter der Überschrift "Einmal Wittenberg und zurück" präsentierte er Vertonungen der Choräle Luthers aus vier Jahrhunderten. Am 19. Oktober spielt die preisgekrönte Düsseldorfer Musikerkollegin Yo-Chong Kim nicht nur Orgelhits aus Barock und Romantik, sondern auch die Uraufführung eines echten Schmidt-Konzerts. Am 19. November folgen Holzbläser, am 19. Dezember dürfen die Zuhörer sich von Schmidt an Orgel und Klavier ihre Favoriten wünschen.

Günther Rasinski, Vorsitzender der Fördervereins für Musik an der Rellinger Kirche (MRK) hofft, dass nach mehr als zwei turbulenten Jahren wieder Ruhe und Kontinuität auf der Orgelbank des barocken Gotteshauses einkehren.

Spürt Schmidt denn noch den langen Schatten des Vorvorgängers Wolfgang Zilcher, der Kirchenmusik, Chöre und Publikum 33 Jahre lang geprägt hatte? "Wolfgang hat mir hier sehr geholfen und hat einen großen Fundus toll gemachter Sachen hinterlassen", sagt Schmidt. Das Verhältnis scheint deutlich harmonischer zu sein als das zu Zilchers direktem Nachfolger Stefan Rasch, dessen zweijährige Amtszeit von Querelen mit der Kantorei geprägt war. Schmidt kommt mit der 60-köpfigen Formation besser zurecht: Offen, freundlich und konstruktiv gestalte sich die Zusammenarbeit. Und das, obwohl der Neue am Dirigentenpult dem stimmgewaltigen Trupp in diesem Jahr einen Klassiker verweigert: "Ein Weihnachtsoratorium wird es in diesem Jahr nicht geben." Die Zeit sei zu knapp. Zudem erarbeitet er mit Saint-Saëns "Oratoire de Noël" und Brittens "Ceremony of Carols" gerade ein anspruchsvolles Alternativprogramm zu Weihnachten.

Schmidt verfügt über das absolute Gehör. Empfindet er es als Vorteil, jeden schiefen Ton zu hören? "Es ist ganz klar hilfreich. Man weiß sofort, an welcher Stelle der Chor absackt." Sein Lieblingskomponist heißt übrigens Bach: "Ich kenne einfach kein schlechtes Werk von ihm."