Barmstedts Stadtjugendpflegerin Regina Orgaß geht in Pension. Sie war die erste Frau in diesem Amt im Land

Barmstedt. Abschied mit Tränen, Wehmut und vielen warmen Worten. Barmstedts scheidende Stadtjugendpflegerin Regina Orgaß feierte jetzt mit allen Kollegen und Mitarbeitern des Rathauses ihren letzten Arbeitstag bei einem Gläschen Sekt und Schnittchen in der kommunalen Halle. 31 Jahre lang hat die Sozialpädagogin die Jugendarbeit in der ehemaligen Schusterstadt bestimmt. Nun hört sie auf und widmet sich mit Ehemann Andreas ihrer gemeinsamen Passion, dem Reisen. Schon am heutigen Dienstag brechen die beiden Hamburger mit dem Autozug in Richtung Süden auf. Ein Ziel haben sie nicht. "Mal gucken, wo das Wetter schön ist."

Ganz so launig war es nicht, als die damals 27-Jährige nach dem Studium in Hamburg einen Job als Jugendpflegerin suchte. Sie wollte unbedingt in einer Kleinstadt im Süden Schleswig-Holsteins anfangen, erinnert sie sich. Hamburg sei ihr zu groß und gleichzeitig zu kleinteilig gewesen. "Ich wollte ganz allein für die Jugendarbeit verantwortlich sein und schnelle Entscheidungen haben." Bei ihren Hospitationen in der Hansestadt merkte sie, wie lang und kompliziert der Dienstweg lief. Das war nicht ihr Ding. "Ich wollte was bewirken."

Doch so einfach war das gar nicht im nördlichsten Bundesland anno 1980. Ihre Bewerbungen wurden abgewiesen. Die Stadtväter in Bad Bramstedt begründeten die Ablehnung sogar - heute undenkbar - mit ihrem Geschlecht. Eine Frau wollten sie nicht mit dieser Aufgabe betrauen, lautete die Absage. Offenbar war ihnen das Risiko zu groß, die neue Jugendpflegerin könnte sich bald um eigenen familiären Nachwuchs kümmern. Oder sie trauten der zierlichen Person schlicht nicht zu, mit der Jugendbande im Ort klarzukommen.

Schließlich wurde sie dann aber im benachbarten Barmstedt fündig. Dort regierte damals "Sir" Henry Behrens im Rathaus. Barmstedt war und ist heute noch eine jener Städte, die eine starke politische Linke haben. Die DKP hatte damals sogar zwei Sitze im Stadtrat. Ein kurzes Vorstellungsgespräch bei "Sir" Henry und Regina Orgaß war eingestellt. "So war ich die erste Frau in diesem Amt in ganz Schleswig-Holstein." Als "Fräulein Hartwig", ihr Mädchenname, fing sie an. "So rückständig war das damals in den 1980er Jahren." Erst wenige Jahre zuvor hatte der Bundestag den Passus gestrichen, dass ein Ehemann zustimmen musste, wenn seine Frau arbeiten geht.

In Barmstedt erwartete Orgaß ein selbst verwaltetes Jugendzentrum. "Da hatte ich als Vertreterin der Stadt nur eine Stimme." So wurde sie auch gerne mal überstimmt, wenn es um Protestkundgebungen gegen die Sparpolitik der Stadt ging. "Das war eine ganz spannende Zeit und auch extrem anstrengend", erinnert sich Regina Orgaß. Die Jugend war hochgradig politisch. Sie agitierte gegen den Nato-Doppelbeschluss, organisierte Friedensmärsche und antifaschistische Aktionen. Waldsterben und die atomare Katastrophe in Tschernobyl 1986 sensibilisierte die Umweltproblematik. Davon sei kaum noch was übrig geblieben. Mit Politik haben die Jugendlichen heute nichts mehr am Hut, sagt die scheidende Stadjugendpflegerin. Das habe vielleicht auch mit dem Zeitgeist zu tun. "Die Jugendlichen haben heute auch mehr Zukunftsängste als früher. Sie fragen sich, wo ist ihr Platz in der Gesellschaft, wo finden sie Ausbildungsplatz oder eine Arbeit", zeigt sie Verständnis. Auch die Informationsflut durch das Internet mache es der Jugend schwer. "Heute muss der junge Mensch mit der ganzen Welt klarkommen." In ihrer Amtszeit sei viel für die Jugend erreicht worden. Projekte gegen Jugendarbeitslosigkeit konnte sie mit anschieben, Integrationspolitik machen. Die Belegschaft wählte sie eine Zeit lang zur Personalratsvorsitzenden. Sogar eine kreisweite Zeitung mit dem Titel "Extra" gab das Jugendzentrum raus.

Sie wünsche sich, dass die Barmstedter Jugendarbeit weiter lebendig bleibe und ihr Nachfolger ähnlich gut von den politischen Gremien unterstützt werde. "Es soll aber nicht so bleiben wie es ist. Das wäre ja Stillstand."

Für Regina Orgaß ist das ein Schimpfwort. Bei ihr war die Jugendpflege immer in den besten Händen, bedauert BALL-Ratsherr und Mitbegründer des autonomen Jugendzentrums, Günter Thiel, ihren Abschied. "Regina war eine sehr Gute."