316 Menschen suchen jährlich Hilfe bei der Beratungstelle Quickborn - sechsmal so viele wie im Gründungsjahr 1991

Quickborn. Suchtberatung? - völlig unnötig. "Bei uns nimmt niemand Drogen!" Das war eine oft geäußerte Meinung, als der Landesverein für Innere Mission vor 20 Jahren seine erste Suchtberatungsstelle im Kreis Pinneberg in Quickborn einrichten wollte. Doch sozial engagierte Stadtvertreter setzten sich durch, sodass 1991 die Ambulante und Teilstationäre Suchthilfe (ATS) in Quickborn ihre Arbeit aufnehmen konnte. Zunächst war die Beratungsstelle nur für zwei, drei Tage im Gemeindehaus der Marienkirche geöffnet. Ende 1992 wurden dann die heutigen Räumlichkeiten in einer kleinen alten Stadtvilla in der Feldbehnstraße (heute Am Freibad) 23 bezogen. Fünf Mitarbeiter auf drei Personalstellen kümmern sich dort um die Beratung und Projekte.

Gleich im ersten Jahr suchten 52 Quickborner mit Suchtproblemen die Beratungsstelle auf. Heute sind es mit 316 sechsmal so viele. Die Zahl der Veranstaltungen ist mit 150 mehr als dreimal so hoch wie vor 20 Jahren. 2400 Personen, vor allem Kinder, Schüler und Eltern, werden da erreicht. "Die Präventionsarbeit ist einer unserer Schwerpunkte", betont ATS-Leiter Hans-Jürgen Tecklenburg.

Die Zahl der Süchtigen sei eigentlich nicht gestiegen. Vielmehr trauten sich die Menschen heute eher in die Beratungsstelle, erklärt Psychologin Frauke Scherotzki-Hanninger. "Früher kamen sie uns, wenn sie schon körperlich und seelisch am Boden waren." Heute suchten sie schon die Hilfe, wenn es Probleme mit dem Partner, beim Arbeitgeber gibt oder der Führerschein weg ist. "Nicht alle, die zu uns kommen, sind süchtig." Auch viele Angehörigen wagten den ersten Schritt in die Beratungsstelle.

Das Hauptproblem sei nach wie vor die Alkoholabhängigkeit, sagt Tecklenburg. Jeder 60. Bundesbürger gelte als alkoholkrank, weitere zwei bis acht Millionen Bürger übten missbräuchlichen bis riskanten Alkoholkonsum aus. Aber auch illegale Drogen, vor allem Cannabis, sowie die harten Drogen Heroin, Kokain oder Ecstasy seien weiterhin problematisch. Es gibt Menschen mit Medikamenten, Ess- und Spielsucht. Neuerdings sei die Computersucht stark im Vormarsch, haben die Fachleute der Beratungsstelle festgestellt. Projekte wie "chatten aber sicher" sind für diese Klientel erarbeitet worden.

Wo genau die Suchtkrankheit anfange, sei bei jedem Menschen verschieden, erklärt Tecklenburg. "Entscheidend ist der Kontrollverlust. Der Betroffene ist unfähig, abstinent zu bleiben." Gefährlich sei es, wenn das Suchtmittel wie ein Medikament genommen werde, um die eigene Stimmung, die Gefühle zu beeinflussen, ergänzt Psychologin Scherotzki-Hanninger. Dabei gehöre die Sucht zu jenen chronischen Erkrankungen, die mit am besten überwunden werden könne, betont Tecklenburg. "Sucht ist nicht zu heilen. Aber wir können die Symptomatik und die psychosomatischen Störungen stoppen. Wir können nur jedem Mut machen, so frühzeitig wie möglich zu uns zu kommen."

In der Regel werde mit dem Suchtkranken zunächst in fünf persönlichen Beratungsgesprächen geklärt, wie der Weg aus der Suchtkrankheit aussehen könnte. Die reine Entgiftung reicht da in den wenigsten Fällen aus. "Da werden 90 Prozent der Betroffenen wieder rückfällig", sagt der Fachmann. Aber mit Hilfe von ambulanter oder auch stationärer Therapie sowie Gesprächen mit anderen Betroffenen in Selbsthilfegruppen könnte die Erfolgsbilanz auf bis zu zwei Drittel steigen. Die ATS-Suchthilfe setzt bei ihrer Präventionsarbeit schon sehr früh an. Sehr erfolgreich ist da das Projekt "Kleine Riesen", das sich seit zehn Jahren um Kinder aus suchtkranken Familien kümmert, wo die Eltern trinken und den Kindern jeder Halt fehlt. "Das ist eines unserer Modellprojekte."

Allerdings steht und fällt die Finanzierung vieler Projekte mit den Zuschüssen. Zwar unterstützt der Kreis Pinneberg die ATS-Suchthilfe in Quickborn, wie auch andernorts, seit 2005 mit rund 230 000 Euro jährlich. Aber ohne die 30 000 Euro, die Quickborn dazu schießt, sowie die finanziellen Hilfen vom Kinderhilfswerk, dem Rotary-Club und anderen Organisationen, wären viele Aufgaben und Projekte nicht zu bewältigen. Tecklenburg: "Wenn ich mir was wünschen dürfte zum 20. Geburtstag, dann wäre das: etwas mehr Platz und eine Stelle zusätzlich."

Denn die Suchthilfe erfülle für die Daseinsvorsorge eine ganz wichtige Aufgabe, ist der ATS-Leiter überzeugt. "Wir sind eine Institution für die soziale Infrastruktur. Das ist auch ein Standortvorteil für die Stadt Quickborn. Wir sind eine Beratungsstelle vor Ort, die bekannt und etabliert ist. Da kommt schon mal der Meister mit seinem Gesellen auf den Hof gefahren und sagt: 'Lass dich hier erst mal beraten, bevor du bei uns weiterarbeiten kannst."