Haseldorf beherbergt mehr als 180 Bäume mit unterschiedlichen Früchten. Führungen im Rahmen der Apfeltage geplant

Haseldorf. Hinterm Deich im Naturschutzgebiet Haseldorfer Marsch ist ein botanisch-kulinarischer Schatz verborgen. Und jedem Finder steht es frei, ihn zu bergen, kraftvoll zuzubeißen und zu genießen. Mehr als 180 Apfelbäume unterschiedlicher Sorten stehen im Obstgarten - und wer mag, darf ernten. Nur an wenigen anderen Orten wird die Bedeutung von Malus domestica, dem Kulturapfel, so offensichtlich wie auf den verwunschenen zwei Hektar ein paar Steinwürfe vom Haseldorfer Hafen entfernt. Hier stehen Holsteiner Cox und Rheinischer Winterrambour, hier wachsen Doppelmelone und Ananas-Renette.

Betreut wird der Obstgarten vom Team des Elbmarschenhauses. Mitarbeiter Bernd Netz: "Wir sind stolz auf Deutschlands größte Sammlung alter Sorten, die für jedermann zugänglich ist." Im Rahmen der Holsteiner Apfeltage wird es Führungen geben. Dass dieser Schatz überhaupt existiert, ist Dietrich Bockwoldt zu verdanken. Der ehemalige Berater des Obstbauberatungsrings Schleswig-Holstein konstatierte während seiner Karriere, dass immer mehr historische Sorten Stück für Stück verschwinden. Supermärkte setzen beim Verkauf auf Menge, sodass sie meist fünf, sechs massentaugliche Sorten im Programm haben und für Spezialitäten kein Platz ist.

Nachdem er 1986 in Rente gegangen war, begann Bockwoldt zumindest zu retten, was zu retten war. Gemeinsam mit der Stiftung Naturschutz des Landes Schleswig-Holstein wurde das pomologische Idyll angelegt - gewissermaßen als biologisches Archiv.

Seitdem gedeiht es in der durch die Elbe auch im Winter milden Luft auf den fettem Marschboden prächtig. Michael Kruse aus Neuendeich, Mitarbeiter der Landesumweltbehörden, hatte den Garten schon rein dienstlich zu betreuen, setzte dieses Engagement aber auch seit den 90er Jahren fort, nachdem das Land die Obst-Immobilie abgab. Seitdem darf sie jedermann betreten - und pflücken.

"Das klappt ganz prima", sagte Netz. Die Anlage ist rund 700 Meter vom nächsten Parkplatz entfernt. So wird verhindert, dass die Geschäftstüchtigen unter den Obstfreunden mit einem Hänger vorfahren und die Bäume problemlos kahl machen können. Außerdem ist der Apfelgarten durch einen Zaun vom Weg abgetrennt und nur durch einen Überstieg zu erreichen - wer lecker futtern will, darf keine Furcht vor den Schafen haben, die das Gras zwischen den Bäumen kurz halten, und muss sich schon ein bisschen mühen.

Helga und Uwe Jürgensen aus Wedel machen das gern. "Es ist eine schöne Radtour hierher. Wir kommen öfter mal", sagten sie. Ihr Ziel ist nicht, möglichst viele Früchte zu schnorren, nur eine kleine Kiste haben sie gepflückt: "Ist für Apfelkuchen!" Schon die Blüte im Frühjahr ist eine Schau, ab Juli sind dann die ersten Sorten reif. "Einige robuste können bis Weihnachten geerntet werden", sagte Netz.

Es hat sich schon in ganz Deutschland herumgesprochen, welche wertvollen Pflanzen in Haseldorf wachsen. "Viele Menschen wünschen sich den Apfelbaum ihrer Kindheit zurück. Wir bekommen Anfragen nach bestimmten Sorten, die wohl mal im elterlichen Garten gestanden haben", so Netz.

Wenn eindeutig klar ist, dass derartige Wünsche nicht kommerzielle Interessen als Hintergrund haben, verschickt er Reiser, mit denen sich die Gartenfreunde ein Bäumchen selbst herstellen können.

Auch seine persönliche Lieblingssorte findet Bernd Netz nur noch im historischen Garten. "Ich mag die Ananas-Renette gern. Sie schmeckt zwar fantastisch, ist aber durch das Vorschriften-Raster der Europäischen Union gefallen, und zwar weil die Früchte zu klein sind. Deshalb werden sie nicht vertrieben."

Wer sich ebenfalls auf die Suche nach den Früchten aus alten Zeiten begeben will, eine Führung wünscht oder an einem Saftpressen der köstlichen Früchte teilnehmen möchte, kann sich dafür im Elbmarschenhaus in Haseldorf unter der Telefonnummer 04129/95 54 90 melden. Weitere Informationen über das Elbmarschenhaus auch im Internet.

www.elbmarschenhaus.de