Verpackung überrascht

16. August: "Ein politisches Desaster"

Peter Schmidt

In Schleswig-Holstein ist man sicher Schlimmeres gewohnt. Mahner wie Graf Kerssenbrock wurden zweimal ins Abseits gestellt, auch mit Hilfe von aktuellen Gelegenheitsmoralaposteln. Man prügelt den Sack und meint den Esel, der sich allerdings auch als solcher erwies. Die moralische Verpackung der Anwürfe gegen Christian von Boetticher überrascht. Zumal in einer Zeit, wo man sich an manches gewöhnt hat. Auch daran, dass die Entwicklung der Volljährigkeit, des Wahlrechts, der sexuellen Selbstbestimmung immer mehr Richtung Ende der Kindheit voran zu schreiten scheint - manche Forderungen setzen noch tiefer an.

Es ist schade, dass die Partei ihr einziges, sicher mit Fehlern behaftetes "politisches Schwergewicht", beseitigt, ohne parteiintern eine aussichtsreiche Alternative haben. Ein Import von außen würde vielleicht noch helfen, aber wer tut sich das an? Volker Rühe kam 2000 leider die Spendenaffäre dazwischen. Dessen Methode und Auftritt waren für normale Parteiverhältnisse zugegeben schwer erträglich, er aber hatte die "Zaunkönige" in diesem seit Barschel schwierigen Landesverband "brutalst" disziplinieren können. Diese haben seitdem gelernt und würden sich nicht noch einmal so bändigen lassen, selbst wenn das wieder direkt in eine lange Oppositionszeit führt. Peter Harry Carstensen kam nicht aus dem "Apparat", war als lenkbarer Kompromiss gedacht und wurde unverhofft für einige Jahre zum Glücksfall für die CDU. Und nun soll das alles vorbei sein? Stegner wieder ante portas, wenn auch im Windschatten eines anderen? Keine guten Aussichten für unser Land.

Unanständiges "Abservieren"

Helmut Plüschau

Nun haben sich Kreis-CDU-Politiker zum schmierenkomödienhaften Abgang des Herrn von Bötticher mehr oder weniger bedauernd geäußert. Die Pflichtübung, oder der Abgesang, gehören wohl zum Ritual vom politisch hochgejubelten Hoffnungsträger, der aus den eigenen Reihen heraus gemeuchelt wurde. Mit der Moralkeule lässt sich allemal ein trefflicher Grund finden, den Fehlgriff bei der Besetzung des "Multitalents" für die kommende Landtagswahl im Mai 2012noch scheinbar rechtzeitig zu korrigieren. Hoffend darauf, dass der Wahlbürger bis dahin dieses unanständige "Abservieren" vergessen hat.

Sein Mandat darf und soll er jedoch behalten, wie es der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Arp in einem Radio-Interview im Deutschland-Radio betont hat, weil er noch gebraucht wird. Ja, er wird im wahrsten Sinne des Wortes noch "gebraucht......", wäre Herr von Boetticher konsequent und glaubhaft, müsste ein Mandatsverzicht nach seinem Rücktritt als Parteivorsitzender und Spitzenkandidat die logische Folge sein, wie es der Herr zu Guttenberg im Bundestag vorgemacht hat. Das verbietet natürlich die Parteiräson, denn dann wäre die Einstimmen-Mehrheit der Koalition im Kieler Parlament dahin und die Regierung müsste zurücktreten, weil ein Ersatz nicht mehr nachrücken kann, infolge des Verfassungsgerichtsurteils zur Auflösung des Parlaments. Die Folge: In sechs Wochen müsste eine Neuwahl erfolgen, was man von den CDU-Oberen und dem Wurmfortsatz, sprich FDP, um alles in der Welt zu verhindern gilt. Also, Augen zu und durchwursteln bis zum Mai 2012.

Liaison sehr übel genommen

Horst Rindfleisch

Die erzkonservative CDU hat dem Hoffnungsträger Christian von Boetticher der Landes-CDU die Liaison sehr übel genommen, die Einleitung seines Rücktritts durch seine Kollegen halte ich für unangemessen und unmenschlich. Die Partei, und insbesondere einzelne Personen in der CDU, hat durch ihr Fehlverhalten mehr Schaden angerichtet als die Hauptdarsteller dieser Liebesbeziehung.

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