Einschulung heute und gestern: Tim und Melissa freuen sich - Willma Leske und Ebba Weise erinnern sich

Kreis Pinneberg. In Melissas Schultüte steckt heute wahrscheinlich ein echtes Hufeisen. Das hat sich die Sechsjährige dringend zur Einschulung gewünscht. "Das soll mir Glück in der Schule bringen", sagt das Mädchen. Eine Armbanduhr wird Melissa auf jeden Fall in ihrer mit Pferdebildern geschmückten Tüte finden. "Damit sie immer weiß, wie spät es ist", sagt Mutter Anke Bonenkamp. Und damit sie ihrem künftigen Klassenkameraden Tim Linbecker, mit dem sie heute Einschulung an der Grundschule Thesdorf feiert, die Uhrzeit sagen kann.

Melissa, Tim und 2686 weitere Abc-Schützen erleben von heute an bis Sonnabend den ersten Schultag ihres Lebens. Dass sie noch Tausende vor sich haben - daran denken die Knirpse natürlich heute nicht. Melissa und Tim sind zunächst gespannt auf ihre Lehrer. Auch ihren künftigen Schulleiter lernen sie kennen: Holger Meyer will seine 55 Erstklässler mit dem Lied "Du gehörst zu uns" von Rolf Zuckowski begrüßen. Dann soll es aber auch endlich richtig losgehen, meint Melissa. Lesen will sie flugs lernen und Schreibschrift, damit sie so schnell wie möglich eigene Geschichten aufschreiben kann.

Tim sieht der Zukunft gelassener entgegen. "Ferien sind toll", antwortet der Sechsjährige auf die Frage, worauf er sich freut. "Ich kann schon ziemlich viel". Was genau? "Zählen bis 245. Ich mag Zahlen. Ich freu' mich auf Mathe." Die Schultüte durfte er sich aussuchen. Zuletzt stand das Dinosaurier-Design hoch im Kurs - passend zum Schulranzen. Melissa liebt die Farbe Rosa. Die Schultüte soll zudem glitzern.

Wenn Willma Leske (88) und Ebba Weise (74) die Wünsche der künftigen Erstklässler hören, macht sie das ganz glücklich. Die beiden Damen leben in der Pinneberger Seniorenresidenz Helene Donner. Ebba Weise wurde am 1. April 1944 in Ratzeburg eingeschult. "Mit Lederrucksack, weißen Kniestrümpfen und kleiner Schultüte", sagt sie. Wenn sie daran denkt, zittern ihr wieder die Knie. "Mit unserem Lehrer war nicht gut Kirschen essen. Je nach Laune schlug er mit dem Rohrstock oder der Faust zu. Die Brillen flogen nur so durchs Klassenzimmer." Das sei gang und gäbe gewesen. "Ich bin mit diesem strengen Regiment groß geworden." Zur Schule ist Ebba Weise nie gern gegangen. Melissa und Tim werden schon bald mit Bleistift in Hefte schreiben. "Wir haben mit quietschenden Griffeln auf Schiefertafeln geschrieben", sagt Ebba Weise.

Bis zur dritten Klasse bekommen die Kinder überhaupt keine Zensuren

Dieses Quietschen klingt auch Willma Leske heute noch in den Ohren. "Am ersten Schultag trug ich geflochtene Zöpfe, einen blauen Faltenrock, weiße Kniestrümpfe, schwarze Lackschuhe und einen bunten Pullover. Die Schultüte hatten meine Eltern liebevoll mit Lackbildern verziert.", sagte Willma Leske. "Darin steckte eine Schokoladenpuppe und lachte mich an."

Ansonsten hat die 88-Jährige keine guten Erinnerungen an ihre Schulzeit in Hamburg-Eppendorf. "Meine Lehrerin Frau Vollstedt war furchtbar. Ich mochte die Frau nicht sehen. Zum Glück wurde sie in der vierten Klasse gegen einen neuen Lehrer ausgetauscht und die Schule machte wieder Spaß." Von dem Zeitpunkt an habe sie in den Fächern Ordnung, Fleiß und Betragen gute Noten bekommen.

Melissa und Tim bekommen keine Ordnungsnoten. Bis zum Halbjahreszeugnis der dritten Klasse werden sie überhaupt keine Zensuren zu lesen bekommen. Zum Ende des Schulhalbjahres führen die Klassenlehrer Elterngespräche. Darin erfahren die Eltern, wie sich ihre Kinder in der Schule eingelebt haben und ob sie die Lernerwartungen erfüllen. Zum Ende des zweiten Halbjahres schreiben die Lehrer ein Berichtszeugnis, das den Schüler vor allem motivieren soll. Anhand einer Tabelle beschreibt er die Fähigkeiten des Kindes in den einzelnen Unterrichtsfächern.

Es gab Käsebrote, Milch und Kakao. Darauf hat sich Willma immer gefreut

An Zeugnis-Details erinnert sich Willma Leske nicht. Aber ans Essen, an die "Schulspeisung", wie sie in den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts üblich war, denkt sie gern. "Es gab Käsebrote, Milch und Kakao. Ich habe mich jeden Tag so sehr auf das Essen gefreut."

Tim und Melissa werden nach dem Unterricht in die Schulmensa gehen, wo Gerichte wie "Gyros mit Reis und Zaziki", die Durstlöscher Selters und Apfelschorle und viel Obst und Gemüse auf dem Speiseplan stehen. Nach dem Mittagessen gehen Tim und Melissa in den der Schule angegliederten Hort - bis 16 Uhr. Melissas Lieblingspuppe stammt übrigens etwa aus der Zeit, in der Willma Leske und Ebba Weise zur Schule gegangen sind. Sie heißt Ida-Rine und ist 70 Jahre alt. Die Puppe soll Melissa so lange in die Schule begleiten, bis sie Freunde gefunden hat.