Noch einmal überdenken

"2. August: "Ein historisches Kleinod weniger"

Rainer M. Tödter, Rellingen

Nach Ihrer Berichterstattung über den geplanten Abriss von " Schmidt's Weinstuben" und der angedachten respektive beschlossenen Neubebauung des (noch) "historischen Kerns" in unmittelbarer Nähe zu unserer Rellinger Kirche - die zu Recht von uns Einwohnern als auch von Besuchern als architektonisches Kleinod geschätzt und geliebt wird - habe ich mich gefragt, ob die Genehmigungserteilung zu dieser Bebauung sowohl durch die Gemeindevertretung als auch die amtlichen Rellinger Stellen wirklich durchdacht und die Konsequenzen dieser Beschlüsse hinreichend transparent gewesen sind.

Als stimmberechtigter Bürger bei Kommunalwahlen habe ich meine Stimme so eingesetzt, dass unser "liebenswertes Rellingen" auch als solches erhalten wird. Notwendige und sinnvolle Neugestaltungen dürfen meines Erachtens aber nicht dazu führen, dass der alte Kern von Rellingen verschwindet und historische Gebäude, die auch den Charme von Rellingen ausmachen und die Rellingen-Besuchern von der Autobahn als Erstes einen positiven Eindruck vermitteln, einer nicht ortsgerechten Bebauung zu weichen haben. Insbesondere der dann nicht mehr freie Blick auf die Rellinger Kirche ist massiv zu beklagen; meiner Einschätzung zufolge wurde dieses durch das aufgestellte Bauschild - gelinde formuliert - auch keineswegs deutlich. Interessierten sei empfohlen, die Ost-West-Straße in Hamburg Richtung Innenstadt zu befahren und den durch ein Gebäude eingeschränkten Blick auf die St. Michaelis-Kirche zu genießen.

Es scheint, dass die gewählten Gemeindevertreter immer dann, wenn ein Investor anklopft, pekuniäre Belange vor Verstand und Herz sowie standhafte Vertretung von Gemeindeinteressen stellen. Ich hege die Vermutung, dass nicht jeder Gemeindevertreter die Tragweite der Entscheidung kompetent und in seiner Vielschichtigkeit überblickt hat.

Aber als Bürger sollte man davon ausgehen, dass nicht nur im Politikprogramm ausgewiesene "Konservative" (wie konnten die denn der endgültigen Vernichtung eines alten Teils von Rellingen bauchschmerzenlos zustimmen?) sondern Bewahrer von Erhaltenswertem in allen Fraktionen der Gemeindevertretung anzutreffen sein sollten. Solange es noch nicht zu spät ist, sollte noch einmal das Für und Wider sorgfältig abgewogen werden.

Dem Investor ist dabei sehr deutlich zu verstehen zu geben, dass ein Teil der Rellinger Bevölkerung nicht gewillt sein will, normative Kraft des Faktischen ( Abriss und Baubeginn ) seitens des Investors einfach zu akzeptieren. Eigentum verpflichtet.

Das gilt auch für die Investoren, deren legitimes Ziel eine Rendite auf das eingesetzte Kapital ist und denen historische und städtebauliche Restriktionen nur als störendes Hindernis in der Realisation des Ziels vorkommen. Hier sollte auch unsere Rellinger Bürgermeisterin aktiv werden und sich deutlich positionieren. Mir ist offenkundig eine Stellungnahme in der Angelegenheit entgangen.

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