Bankgeheimnis: Über 20 Jahre gab er auf seine Schäfchen in Pinneberg acht

Pinneberg. "Ich verstehe mich nicht als Hexenjäger, und ich kann niemanden aus obskuren religiösen Gruppierungen rausschnacken!" Dass das erst einmal klar ist, und ich keine dummen Fragen stelle. Denn Jörg Pegelow, über 20 Jahre Pastor in der Pinneberger Christuskirche und jetzt auf dem Sprung nach Rostock, hat viele Aufgaben, große Ziele und wenig Zeit, sich mit Tüdelkram zu beschäftigen.

Also rein in die Kirche, rauf auf die Bank zum Fototermin, ran an den Handwerker, um Aufgaben zu klären, und ran ans Thema: Was hat Pegelow in Pinneberg besonders beschäftigt, was stärkt ihn? In dieser Kirche hat er wunderbare Augenblicke erlebt, die ihn noch lange tragen werden, die ihn auch von Zweifeln am Glauben ("Solche Momente hat doch jeder") wieder in die Mitte der Kirche zurückführen. "Ich werde niemals vergessen, als 750 Menschen in der Christuskirche Gottesdienst feierten. Wir waren einer von vielen Auftakten zum Kirchentag 1995 in Hamburg."

Kirche und Pastor müssen in gesellschaftlichen Fragen Stellung nehmen

Aber auch das Gespräch mit der über 90 Jahre alten Dame, die lächelnd erzählte: "Ich glaube, dass es so etwas wie das jüngste Gericht gibt, wenn man sein ganzes Leben unter Gottes Augen angucken muss, was geklappt hat und was nicht. Und dabei hält Jesus mich im Arm und ich bin nicht allein."

Solche Gedanken stärken den Pastor, geben ihm Kraft für Auseinandersetzungen mit Menschen, die anderen ihren Glauben überstülpen wollen, die meinen, dass es "wertes und unwertes Leben gibt", deren Ideologie von einer überlegenen Rasse geprägt ist. "Das ist alles dummes Zeug", sagt Pegelow.

Klar, dass er sich bei diesen Themen öffentlich bekennt, an Demonstrationen gegen faschistisches Gedankengut teilnimmt. "Kirche und Pastor müssen in gesellschaftlichen Fragen Stellung nehmen, wenn es um die Würde und den Wert des Menschen geht."

Ebenso klar haben nach Pegelows Einschätzung alle diejenigen ihr gutes Recht, Heilslehren zu verkünden, die irgendjemandem irgendwie helfen. "Es gibt viele Bereiche gerade aus der chinesischen Medizin, die medizinisch helfen, aber wissenschaftlich nicht zu erklären sind." Aber: "Es darf damit nicht verbunden sein, dass sich jemand auf Kosten anderer eine goldene Nase verdient oder seinen Schützlingen Glauben macht, dass man selbst schuld sei, wenn das Versprochene nicht eintritt, weil man sich nicht genügend geöffnet habe", sagt der Pastor.

Augenmerk legt Pegelow auch auf sogenannte satanische Zirkel

Pegelow warnt ebenso klar vor Lehren, deren Folgen lebensgefährlich sind. "Es gibt eine Australierin, die behauptet, dass der Mensch sich nur mit Licht ernähren kann. Die Folgen sind absehbar."

Augenmerk legt er auch auf sogenannte satanische Zirkel, in denen besonders junge Leute abschweifen, oft in kleinen Gruppen, oft mit wahnwitzigen Ritualen. Wo körperliche und sexualisierte Gewalt und Heimlichkeiten herrschen, erhebt Pegelow sein Wort. Im Kreis Pinneberg habe er das glücklicherweise nirgends entdeckt. Jugendlicher Protest-Satanismus habe sich in dieser Region weitgehend nur in Schmierereien gezeigt. Manchmal sind Eltern allerdings auch äußerst vorsichtig. So rief eine besorgte Mutter bei Pegelow an und berichtete, dass ihr Sohn täglich betet. "Diese Eltern konnte ich schnell beruhigen."

Begonnen hatte die Beschäftigung mit Sekten und Weltanschauungen gleich zum Start seiner Amtszeit in der Christuskirche ("Die Gemeinde hat mich sehr gut aufgenommen und langsam an die Aufgaben herangeführt"). Damals war die Scientology-Organisation in Hamburg und Umland sehr aktiv. Pegelow und vielen anderen ist es zu verdanken, dass Scientology in Deutschland deutlich an Einfluss verloren hat. "Die bekommen hier keinen Fuß mehr an die Erde", sagt Pegelow.

Angst hat der Pastor nach eigenen Angaben nie gehabt, sich zu Wort zu melden, auch wenn er rechtsextreme Organisationen anprangerte. Verfolgt gefühlt hat er sich von denen, die er kritisierte, nie. Scientologen versuchten mehrfach, mit ihm Kontakt aufzunehmen.

"Mit mir kann jeder reden", stellt Pegelow klar, wenn er denn die Zeiten einigermaßen einhält zumindest solange er nicht in Not ist wie jetzt zum Beispiel der Abendblatt-Reporter, denn der kann ja noch mit vielen anderen reden - und aus der Welt ist Jörg Pegelow mit seiner Familie auch mit dem neuen Job nicht.

Auf dem Rennrad überlegt er sich, was er am Sonntag in der Kirche predigt

Die Familie hat sich in der Kreisstadt eine neue Wohnung gesucht, allerdings in einer benachbarten evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde. Doch von den Wegen, die er mit dem Rennrad in und um Pinneberg herum zurücklegt, um sich gesundheitlich fit zu halten und im Geiste seine Predigten und Vorträge zu formulieren, muss er auch nicht abweichen. Aber jetzt muss der Reporter wirklich weichen - der nächste Termin naht.