Obwohl ein Gutachten Spielräume sieht, wird es in der S1 und S3 keine Abweichung bei den Sperrzeiten geben

Hamburg/Pinneberg. Für den Weg zu seinem Arbeitsplatz nach Uetersen kann der Wedeler Rainer Hagendorf auf sein Fahrrad nicht verzichten. Auf den Bus aber auch nicht. Doch die Kombination von Fahrrad und öffentlichem Nahverkehr ist für Pendler wie Hagendorf eigentlich nicht möglich. Denn zwischen 6 und 9 Uhr morgens sowie nachmittags von 16 bis 18 Uhr ist die Mitnahme von Rädern in Bussen und S-Bahnen im HVV nicht gestattet - und an dieser Regelung wird die SPD in der Hansestadt auch nicht rütteln. "Aus Sicherheits- und Kapazitätsgründen ist eine erweiterte Fahrradmitnahme zu den Stoßzeiten nicht möglich", sagte Ole Thorben Buschhüter, SPD-Verkehrsauschussvorsitzender, dem Abendblatt. Damit zerschlagen sich die Pläne der Grünen, die Forderung des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) und die Hoffnung von vielen Pendlern, die eine fahrradfreundlichere Lösung anstreben. Besonders der Kreis Pinneberg ist mit seinen beiden großen S-Bahnen, der S 1 nach Wedel und die S 3 nach Pinneberg von der Hamburger Entscheidung betroffen.

Dabei kam ein 2009 von der Umweltbehörde in Auftrag gegebenes Gutachten zu dem Ergebnis, dass eine versuchsweise Erweiterung der Fahrradmitnahme auch unter Berücksichtigung von Betrieb und Sicherheit möglich ist. Bis dato hatten die Verkehrsbetriebe eine Sperrzeitenänderung kategorisch abgelehnt - aus Gründen der Sicherheit und der steigenden Fahrgastzahlen. Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Antje Möller, sieht im Gutachten die Grünen-Position bestätigt, die Sperrzeiten beim HVV aufzuheben. "Das wäre ein wichtiger Impuls für mehr Mobilität mit dem Fahrrad", so Möller.

Denn tatsächlich sind selbst während der Sperrzeiten viele S-Bahn-Waggons leer oder nur schwach besetzt - vor allem auf den Strecken von Hamburg ins Umland. Doch selbst eine individuelle Sperrzeitenlösung wollen SPD und HVV nicht. "Differenzierungen für einzelne Streckenabschnitte oder gar Fahrtrichtungen kann man kaum sinnvoll kommunizieren. Das schafft im Zweifel nur Verdruss", so Buschhüter. "Wir wollen eindeutige und einfache Regelungen", sagte HVV-Sprecherin Gisela Becker. Auch CDU-Verkehrssprecher Klaus-Peter Hesse zieht eine klare Regelung vor und begrüßt die SPD-Entscheidung, die Sperrzeiten nicht anzutasten. "Im Zweifel, wenn es also reichlich Platz gibt, können Kontrolleure und Verantwortliche mit Feingefühl entscheiden", fordert er.

Bei Torsten Schoenke stößt die starre Sperrzeiten-Regelung auf Kopfschütteln. Jeden morgen fährt er entgegen des Pendlerstroms von Krupunder zur Arbeit nach Halstenbek und sitzt fast immer in leeren Waggons. An die Sperrzeiten hält er sich nicht, nimmt sein Rad trotz Verbots mit. "Da hat noch nie jemand was gesagt", sagt Schoenke. Für ihn ist die Kombination von S-Bahn und Fahrrad ideal. Vom Halstenbeker Bahnhof hat er nur noch zwei Fahrminuten mit dem Rad. "Ich finde es schade, dass man keine flexible und pendlerfreundlichere Lösung findet", sagt der Angestellte. Ähnlich sieht es Antje Möller: "Statt einem dogmatischen Festhalten an den Sperrzeiten wäre ja auch eine Abschaffung zunächst außerhalb des inneren Rings denkbar."

Rainer Hagendorf, Sprecher des Wedeler ADFC, hat auch während der Sperrzeiten sein Rad im Bus genutzt. "Da muss man pragmatische Lösungen finden. Wenn der Bus leer war, hat mich bisher trotzdem fast jeder Fahrer mitgenommen", sagt er. In der Regelung sieht er grundsätzliche Ängste zementiert. "Man traut Fahrradfahrern einfach keine Rücksichtsnahme zu. Man sollte doch die Sperrzeitenregelung wenigstens einmal testen", fordert er.

"Grundsätzlich haben Kinderwagen und Rollstuhlfahrer Vorrang. Aber wenn ein Bus leer ist, finden sich immer individuelle Lösungen", sagt Kay Goetze, Sprecher der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein AG.

Doch dass es im öffentlichen Nahverkehr nicht immer verständnisvoll zugeht, weiß der Pinneberger Mario Nördinger nur zu gut. "Ich wurde mit meinem Rad am Nachmittag schon zwei Mal aus der Bahn geschickt - obwohl der Waggon leer war", erzählt Nördinger. Nach seiner Auffassung sind Sperrzeiten von drei Stunden am Morgen komplett übertrieben. "Von 6 bis 7.30 Uhr reicht völlig aus", fordert er. Die Pinnebergerin Hannegret Okafor würde eine Änderung begrüßen. Es sei ein Handicap, wenn man innerhalb der Sperrzeiten einen Ausflug mit dem Rad machen möchte, sagte sie.