Die Zahl der über 55-Jährigen auf dem Arbeitsmarkt wächst kontinuierlich. Eine Vergleichsstudie zeigt, viele Unternehmer sind ratlos

Kreis Pinneberg. Die Überalterung der Bevölkerung und der drohende Fachkräftemangel sind den Unternehmern im Kreis Pinneberg voll bewusst. Allein, es fehlt ihnen an Handlungsstrategien, wie sie diese Probleme lösen sollen. Das ist das geradezu erschütternde Ergebnis einer Umfrage bei 150 Betrieben, die der Kreis Pinneberg jetzt im Rahmen des von der Europäischen Union geförderten "Best Agers"-Programm gemacht hat.

Unternehmer wissen um das Problem der Überalterung, handeln aber nicht

"Die befragten Firmenchefs wissen um den großen Handlungsbedarf und erkennen auch die berufliche Kompetenz ihrer älteren Mitarbeiter an", erklärt Projektleiter Jonas Meixner von der Kreisverwaltung das "ambivalente Verhalten" der meisten Unternehmer. "Aber sie schaffen keine Anreize, um die älteren Mitarbeiter zu halten, und haben auch keine strategische Planung dafür." Vor allem die kleineren und mittleren Betriebe brauchten dringend externe Hilfe.

Damit nicht genug. Im internationalen Vergleich schneiden die deutschen Unternehmen erheblich schlechter ab, wenn es darum geht, die Belegschaft oberhalb des 55. Lebensjahres an das Unternehmen zu binden.

Der Kreis Pinneberg ist der einzige Landkreis in Deutschland, der sich an dieser Best-Agers-Studie beteiligt hat. Sie ist auf drei Jahre angelegt und kostet insgesamt 150 000 Euro, wovon der Kreis knapp 40 000 Euro zu tragen hat, erläutert Meixner.

Im ersten Schritt sind nun 150 Unternehmer aller Branchen befragt worden, wie groß ihr Mitarbeiterpotenzial an dieser 55plus-Gruppe sei, wie sie deren Kompetenzen einschätzen und welche betrieblichen Angebote sie ihnen machten. Acht Ostsee-Anrainer-Länder haben sich an diesem Projekt beteiligt, sodass sich die Ergebnisse vergleichen lassen.

Der demografische Wandel ist überall zu spüren, fasst Meixner das Ergebnis der Umfrage zusammen. Allein in Deutschland wird die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter in den nächsten 25 Jahren um sechs Millionen sinken. Seit 1993 ist der Anteil der 55- bis 64-Jährigen an den Gesamtbeschäftigten um sechs Prozent angestiegen. So waren es im Kreis Pinneberg vor 20 Jahren keine 8000 der 76 500 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in dieser Altersklasse. Heute sind dies schon 9550 von 77 600 Beschäftigten. Die Zahl der über 60-Jährigen hat sich in dieser Gruppe in diesem Zeitraum sogar auf knapp 3000 Senioren verdoppelt. Und die nachwachsende Altersgruppe der über 45 Jahre alten Arbeitnehmer macht schon mehr als ein Viertel aller Beschäftigten aus und ist seit 1993 um 15 Prozent gewachsen.

Betriebe in Schweden sind viel besser auf Demografiewandel vorbereitet

Zwei Drittel der befragten Firmenchefs und Personalleiter sehen in der Überalterung das Hauptproblem für ihre zukünftige Personalplanung. Jeder zweite Betrieb versuche, dieser Entwicklung mit individuellen Arbeitszeiten und Arbeitsinhalten zu begegnen, sagt Projektleiter Meixner. Andere Strategien wie finanzielle Anreize oder Aufstiegsmöglichkeiten spielten dabei nur eine sehr untergeordnete Rolle.

Ganz anders die Situation im Landkreis Norrbotten in Nordschweden. Dort haben schon drei Viertel der Betriebe Arbeitszeiten und Inhalte auf die älteren Beschäftigten zugeschnitten. Und fast jedes zweite Unternehmen macht weitere spezielle Angebote für diese älteren Kollegen mit Fortbildung, Gesundheitsprogramm, mehr Geld oder Karrierechancen. Auch die Hilfe von Mentoren, bei der gezielt die Berufserfahrung der älteren Mitarbeiter an die jüngeren weitergegeben wird, ist in Skandinavien viel ausgeprägter als hierzulande. Teilweise nutzen in Norrbotten bis zu sechsmal so viele Unternehmer diese Möglichkeiten.

Meixner: "Während im Kreis Pinneberg diesen Älteren in der Regel nur ein Angebot gemacht wird, ist es in Schweden ein ganzer Strauß an Möglichkeiten, die diesen Mitarbeitern geboten wird."

Dabei sei der Handlungsdruck enorm, warnt der Projektleiter. "Schweden ist da schon viel weiter. Wir können von den skandinavischen Nachbarn noch viel lernen."