Erste Kirchengemeinde im Kreis Pinneberg beschreitet neue Wege in der Begräbniskultur. Urnengräber rund um Eichen, Birken und Buchen

Kreis Pinneberg. Das Bild auf unseren Friedhöfen ändert sich gewaltig. Wo früher durchgehend ein bepflanztes Grab neben dem anderen lag, tun sich heute große Lücken auf. Der Trend geht zur Feuerbestattung und Urne, die längst nicht so viel Fläche benötigen. Deshalb sind in Wedel, Uetersen und auf den meisten anderen Friedhöfen im Kreis Pinneberg Rasenflächen eingerichtet worden, wo kleine Grabplatten als Erinnerungsstätten dienen. In Appen geht die Kirchengemeinde jetzt noch einen Schritt weiter und öffnet ihren Wald für Urnenbestattung.

"Wir möchten eine würdevolle und naturnahe Erinnerung an die Verstorbenen schaffen", sagt Friedhofsverwalter Hemming Hachmann-Thießen, 39. Er hatte schon bei seiner Bewerbung in Appen vor gut anderthalb Jahren die Idee vorgetragen, den gut einen halben Hektar großen Wald am Rande des bestehenden Friedhofs zu nutzen. Im Kirchenvorstand traf Hachmann-Thießen, der auch den Pinneberger Stadtfriedhof verwaltet, mit seinen Vorschlägen auf breite Zustimmung.

"Bäume sind jahrtausendealte Symbole für das Leben", sagt Pastor Frank Schüler. Er unterstützt die Initiative. Etwa 200 Bäume stehen auf der Fläche, die die Kirchengemeinde 1954 vom Gut Schäferhof gekauft. "Das war damals alles Kratt, ein norddeutscher Mischwald mit kleinen Bäumen und vielen Büschen", erinnert sich Klaus Bünz. Er war jahrzehntelang als Verwalter für das nahe Gut zuständig, ist jetzt im Friedhofsausschuss der Kirchengemeinde aktiv und ein Befürworter der naturnahen Bestattung.

Walter Lorenzen, SPD, zweiter stellvertretender Bürgermeister, äußert sich ebenfalls begeistert über das Modell. Er weiß aber auch: "Hätte jemand vor 20 Jahren in Appen so einen Vorschlag gemacht, wäre er fortgejagt worden." Doch die Zeiten haben sich geändert. Außerdem drücken die Kosten. Die Gemeinde Appen zahlt für den Friedhof bis zu 50 000 Euro jährlich, um das Minus abzudecken. In den großen Städten sind diese Defizite deutlich höher. In Pinneberg rechnet Thorsten Backhaus, kaufmännischer Leiter des Kommunalen Servicebetriebs, mit einem städtischen Zuschuss in Höhe von jährlich 180 000 Euro.

In Appen hat sich im Unterschied zu Wedel und anderen großen Friedhöfen die Zahl der Beisetzungen in den vergangenen Jahren stabil gehalten. Pastor Schüler geht von etwa 15 Erd- und 15 Urnenbestattungen pro Jahr aus. Auch bei der Erdbestattung kommt die Friedhofsverwaltung den Wünschen entgegen. Es ist nur noch eine teilweise Bepflanzung vorgeschrieben.

Weit vor der Appener Kirchengemeinde hat im Kreis Pinneberg der Bönningstedter Kaufmann und Unternehmensberater Jan-Willhelm Jurgens den Trend zur Ruhestätte mitten im Wald aufgegriffen. Er gründete Ende 2006 nach heftiger politischer Auseinandersetzung die Ruhehain GmbH. Fast gleichzeitig errichtete die Gemeinde auf ihrem kommunalen Friedhof einen Platz, wo ebenfalls Urnen an einem Baum beigesetzt werden dürfen.

Über Zahlen, wie viele Urnen auf seiner sieben Hektar großen Fläche bereits liegen, will Bönningstedts Ruhehain-Geschäftsführer nicht sprechen. "Das habe ich einmal gemacht, da wurde dann falsch mit weitergerechnet", sagt der Geschäftsführer. Nach seinen Angaben wächst aber der Zuspruch, zumal die Plätze der großen Ketten wie Ruheforst in Hartenholm (Kreis Segeberg) und Friedwald in Buxtehude und Bispingen deutlich weiter von Hamburg entfernt liegen.

Auch die Appener rechnen damit, dass neben den eigenen Bürgern Menschen aus dem übrigen Landkreis und dem nahen Hamburg die Chance nutzen, in der kleinen Gemeinde ihre letzte Ruhestätte zu finden. Klar, dass im Wald nur biologisch abbaubare Aschekapseln beigesetzt werden dürfen. Die Ruhezeit beträgt, wie es der Gesetzgeber vorschreibt, mindestens 25 Jahre.

Während in Bönningstedt kleine Tafeln am Baum an die Namen der Verstorbenen erinnern, ist es in Appen möglich, ein ebenerdiges Grabmal in den Waldboden einzulassen. Der Stein für das Grabmal ist vorgegeben. Es muss ein naturgewachsener runder Basalt sein.

Um den Angehörigen zu ermöglichen, auch kleine Blumengestecke abzulegen, sind im Appener Friedhofswald zwei Stelen errichtet worden. Auch diese Säulen sind aus Basalt und sollen den Besuchern die Orientierung erleichtern. Die Urnenfläche für Paare liegt rund um die Stele mit Eichhörnchen. Eine Eule wacht über dem Gemeinschaftsgrab. Dort können, müssen aber nicht, jeweils bis zu sechs Namen der Verstorbenen auf einer zusätzlichen kleinen Tafel graviert werden. "Wir wollen den Baum nicht durch irgendwelche Schilder beschädigen", sagt Hachmann-Thießen. Er weist auch darauf hin, dass keine besonderen Wege angelegt werden, sondern der Wald so natürlich wie möglich gelassen wird. Pastor Schüler ist begeistert: "So eine Begräbniskultur passt wunderbar in Europas größtes Baumschulgebiet."