Gäste aus Makete lernen den Kreis Pinneberg kennen und vergleichen den deutschen Alltag mit dem in ihrer Heimat

Kreis Pinneberg/Makete. Der Begriff "Globalisierung" löst zwar bei vielen Zeitgenossen das nackte Grauen aus und Gedanken an Arbeitslosigkeit in der Heimat durch Kinderarbeit in Fernost. Dass Globalisierung auch eine wunderschöne Sache sein kann verbunden mit Austausch und Solidarität rund um einen halben Erdball, ist derzeit bei Besuchern aus Tansania in Holm, Wedel und Schenefeld zu erleben. Die Gäste aus Makete bekommen Vieles mit auf den Weg zurück nach Afrika - und hatten auch ihren Gastgebern viel Wertvolles zu bieten. Denkanstöße zum Beispiel.

Edwina Mwihavagila ist Pastorin und Adrick Mwambemba Propst, Daniel Okoka ist Bürgermeister des Distrikts Makete und Samuel Sanga verantwortlich für die Finanzen in dem bitterarmen Landkreis in den Livingstonbergen. Auf Einladung der kirchlichen Partnergemeinden im Westen Hamburgs, zu denen auch Schenefeld, Schulau und Wedel gehören, reisten sie an, um über die Perspektiven der Zusammenarbeit zu sprechen.

Eine Facette ist der Wasserschutz durch Aufforstung. Die Wedeler Rotarier haben jetzt mehr als 30 000 Euro aufgewandt und die gleiche Summe kommt von einer Partnerinstitution dazu, damit in dem 1800-Seelendorf Ipepo eine Trinkwasserleitung instand gesetzt und verlängert werden kann. Die Voraussetzungen hatten die Menschen dort geschaffen, indem sie die Landwirtschaft in einem Quellgebiet einstellten und dort im Januar 3000 Urwaldbäume pflanzten, die dem Boden beim Wasserspeichern helfen sollen.

Die Gäste berichteten den Rotariern vom Fortgang der Arbeiten - Rotary-Präsident Günter Mühleisen gab im Gegenzug die Summe frei. Es ist bereits das fünfte Projekt dieser Art seit Beginn der 90er-Jahre.

Dazu passte eine Stippvisite in der Baumschule von Oliver Ringel in Holm, der erklärte, wie Aufforstung hierzulande funktioniert. Wie bei den meisten Treffs übersetzte Pastor Rolf Wassermann, der mit seiner Frau Sibylle lange Zeit im Distrikt Makete gelebt hat.

Ein ganzes Team übernimmt in Holm Zug um Zug die Arbeit der Wassermanns. Dazu zählten neben der Hilfe bei der Wasserversorgung auch der Bau von Getreidemühlen und Kirchen sowie Patenprojekte für Aids-Waisen. Mehr als 200 Kinder, deren Eltern an der dort grassierenden Immunschwäche gestorben sind, werden unterstützt. Eine monatliche Spende von zehn Euro ermöglicht ihnen den Schulbesuch und hilft ihnen überdies, Anerkennung der Dorfgemeinschaft zu gewinnen, da die Hälfte der Spende von der Diakonie für Gemeinschaftsaufgaben eingesetzt wird. Die Kirchengemeinde Schulau unterstützt die Diakonie ebenso mit Geld und auch mit Sachspenden per Container.

Diese Containerlieferungen hatten die Mitglieder der Gemeinde Wedel-Holm bislang vermieden, weil mehr als 1000 Euro für Hafengebühren und Lagerkosten aufzuwenden waren. Der Besuch führt wohl zum Umdenken.

Propst Mwambemba: "Sachspenden verbinden uns mehr als Geld. Die Menschen können sie direkt greifen."

Neue Verbindungen per E-Mail sollen die Abstimmung erleichtern und den Empfängern Mitteilung über die Ankunft des Containers geben, damit sie rechtzeitig zu ihrer Drei-Tages-Reise zum Hafen aufbrechen, um den Container rasch auslösen zu können.

Die Abgelegenheit mancher Dörfer kann lebensbedrohlich sein. Eine ärztliche Versorgung fehlt. Das Dorf Ipepo wird nicht einmal vom mobilen Sanitätsdienst angesteuert, weil dort keine Krankenstation als Basis existiert. Bei akuten Fällen werden die Kranken per Motorrad zum Arzt gefahren. Der Drei-Stunden-Trip durch die Bergwildnis endet oft tödlich. Die Stadt Wedel will helfen, diese Not zu lindern. Stadtpräsidentin Sabine Lüchau und Bürgermeister Niels Schmidt sagten zu, bei den Lokalpolitikern Geld für den Bau dieser Station zu beantragen. Schmidt berichtete nach einem Gespräch mit seinem Kollegen Okoka, dass beide Verwaltungschefs mit den Problemen aus den gleichen Bereichen konfrontiert seien: Ausbildung, Gesundheit, Umwelt, Straßenbau. Schmidt: "Allerdings haben unsere afrikanischen Freunde die Probleme auf ganz anderem Niveau. Es täte den Menschen hier gut zu wissen, wie es anderswo aussieht." Er hatte seinen Denkanstoß bekommen.

Weitere ergaben sich durch simple Erzählungen. "Bei uns teilen sich elf Kinder ein Schulbuch", sagt der Propst. "Die Kinder können nicht so lange lernen wie sie wollen. Sie brauchen Zeit fürs Holzsammeln, damit sie in der Schule kochen können" - was für ein Kontrast zum Junkfood-verwöhnten Schulschwänzer hierzulande. "Ihr in Deutschland lebt in sehr kleinen Familien. Onkel und Tanten sind kaum sichtbar. Jugendliche sind oft schon mit 18 Jahren aus dem Haus verschwunden." Samuel Sanga fiel auf: "Die Menschen hier haben eine andere Auffassung davon, was zum Leben nötig ist."