Unser Dorf: Reiten, Golfen, Liebe zur Natur - so halten sich die Menschen fit. Abendblatt zu Gast in der 2200-Seelengemeinde

Prisdorf. Ein Zug donnert vorbei. Der Lärm ist für Sekunden ohrenbetäubend. Dann herrscht Ruhe. Die Vögel zwitschern. Eine Biene hangelt sich am Wartehäuschen von einer Geranie zur nächsten. "Der Nachbar gießt sie", sagt Margot Dorsch vom Heimatverein. Die 72-Jährige hat sich im Verein "Wartenhäuschen Prisdorf" für den Erhalt der kleinen Hütte auf dem Bahnhof eingesetzt, die schon vor 100 Jahren den Reisenden Schutz vor Wind und Wetter bot. Mit Erfolg.

Stolz blickt Margot Dorsch auf das restaurierte Kulturgut. Die Rentnerin zog 1990 nach Prisdorf. Sie versuchte sich einzuleben, indem sie "mitmachte" - Heimatverein, Gemeinderat, Wartehäuschen. Das Leben in Prisdorf gefällt ihr. "Die Natur ist mir viel wert", sagt Dorsch. "Außerdem ist es interessant, immer mehr von den Menschen hier und der Geschichte des Ortes zu erfahren." Dort drüben an der Brücke explodierte Ende des Zweiten Weltkrieges ein Munitionszug, erzählt die 72-Jährige. Ein nahe gelegenes Gehöft brannte ab. Je mehr sie vom Dorf und ihren Bewohnern erfährt, desto mehr fühlt sie sich hier verwurzelt.

Die gute Anbindung an Hamburg schätzt Bürgermeister Wilfried Hans (CDU) sehr. Das spart Zeit, die bei ihm immer knapp ist. Der gebürtige Dithmarscher arbeitet als kaufmännischer Vorstand für die Großstadtmission in Hamburg und pendelt täglich. Seit Januar 2002 ist der vierfache Vater ehrenamtlicher Bürgermeister. Es gibt viel zu tun für Wilfried Hans: Im September beginnt der Neubau einer Ganztagsschule gemeinsam mit Kummerfeld. Ein neues Wohngebiet soll an der Ecke Hauptstraße/Hauen erschlossen und Fußwege für Radfahrer ausgebaut werden. Und wie löst er das Problem mit der Bilsbek-Brücke, die erneuert werden soll? Dafür muss die L 107 für drei Monate gesperrt werden. Der Westteil ist damit vom restlichen Dorf abgeschnitten. Die Rettungswege beispielsweise zum Kindergarten am Wald müssen trotzdem sichergestellt werden. Um all diese Dinge kümmert sich Wilfried Hans unentgeltlich. Das macht er gern. Engagement wird in Prisdorf eben groß geschrieben. "Die Prisdorfer gestalten ihr Leben positiv, beteiligen sich bei der Feuerwehr und in Vereinen", sagt Hans. "Wir haben hier alles, was man zum Leben braucht, und wohnen im Grünen."

Ein Paradies für Pferdenarren - das hat auch Bernd Meyer erkannt. Dort, wo früher Kühe gemolken wurden, versorgt der Landwirt heute auf seinem Aktiv Stall Meyers Hof 50 Pferde. Stuten und Wallache leben artgerecht in einer Herde. Die Tiere sind in einem großen offenen Stall untergebracht. Tagsüber laufen sie auf der Weide. Futter bekommen sie an computergesteuerten Anlagen. "Über ein Halsband erkennt der Computer, wie viel das Pferd am Tag fressen darf", erklärt Meyer. Tritt das Tier zu häufig an die Futterluke, öffnet sich diese nur noch kurze Zeit oder gar nicht mehr bis zum nächsten Tag. Beim Umbau haben die Nachbarn mit angepackt: "Ohne Hilfe, wäre das alles gar nicht möglich gewesen", sagt Meyer.

Der Hof ist ein attraktiver Anziehungspunkt geworden. "Die Anlage ist super gepflegt und die Atmosphäre gut", schwärmt Reitlehrerin Susanne Kreutz. Deshalb hat die Haselauerin auch ihre zwei Pferde hier untergebracht. Zudem bietet sie den Besuchern Reitunterricht an. Diese kommen vor allem aus Hamburg. Aber auch Prisdorfer fühlen sich hier wohl. Die 14 Jahre alte Nadja Gerber striegelt gerade ihr Pferd Corett. Jeden Tag ist sie hier. "Das Ländliche gefällt mir", sagt die Schülerin. Nicht zu langweilig für einen Teenager? "Die Anschlüsse an Pinneberg und Hamburg sind gut", sagt Nadja Gerber. Wer was erleben will, muss aber gar nicht das Dorf verlassen. "Jugend für Jugend bietet verschiedene Aktivitäten wie Zeltlager und Kanutouren an."

Gleich nebenan ist die "Perspektive Zukunft" zugange. Hier ziehen derzeit 30 Langzeitarbeitslose Stecklinge, legen Beete an, hacken und jäten. Das Obst und Gemüse wird kostenlos an die Tafeln der Umgebung abgegeben. Den Teilnehmern des von der ARGE unterstützten Projekts sollen so der Einstieg ins Berufsleben ermöglicht werden. "Vier fanden eine Festanstellung bei den Baumschulen", sagt Verpächter Frank Kowalski. Um so ein Projekt zu erhalten, braucht es Hilfe von außen. "Man kann die Hilfe der Nachbarn gar nicht hoch genug schätzen", sagt Frank Kowalski. Sie kämen beispielsweise mit Kohlrabi-Stecklingen vorbei. Vom Meyer Hof bekämen sie Bio-Dünger. Und auch der Traktor wird gern mal verliehen. Dennoch ist die Zukunft des Projektes ungewiss. "Arbeitsministerin Ursula von der Leyen will die Bezüge kürzen", sagt Frank Kowalski.

Hilfsbereit und engagiert - so sind viele Prisdorfer. "Weltoffen und tolerant", fügt Dörte Maack hinzu. Ihr Aupair-Mädchen Oxana aus der Ukraine wurde sofort in die Gemeinschaft integriert. "Mit ihrem Hobby Sticken war sie ein willkommener Gast im Bastelverein", sagt der 43-Jährige. Die älteren Damen halten immer noch Kontakt mit der jungen Frau, die mittlerweile in ihrer Heimat eine eigene Familie gegründet hat. Dörte Maack arbeitete als Schauspielerin, bevor die Ärzte eine schleichende Ablösung der Netzhaut feststellten. Da war sie 27 Jahre alt. Auf der Bühne fühlte sie sich nicht mehr wohl. Kreativ arbeiten konnte sie weiterhin bei "Dialog im Dunkeln" in der Hamburger Speicherstadt. In völlig abgedunkelten Räumen führen blinde Menschen das Publikum in kleinen Gruppen durch eine Ausstellung. Die zweifache Mutter leitet Seminare und Trainings für Führungskräfte und Teams im Dunkeln.

Manager würde man wohl eher auf dem Golfplatz vermuten. Klischee? "Zu uns kommen immer mehr junge Menschen", sagt Susanne Rahlfs vom Golf-Park Peiner Hof. Die Prisdorferin schwört auf den Sport: "Golf baut Stress ab, stärkt die mentale Konzentration und setzt 238 Muskeln in Gang. Nach einer 18-Löcher-Runde haben Sie 1200 Kalorien verbraucht - soviel, wie nach drei Stunden Tennis." Kein Wunder, dass die Prisdorfer so viel Power haben.