Mangelhaft erzogen

"Den Lehrern muss geholfen werden"

Viele Pädagogen sind mit der Betreuung der Schüler überfordert. Regierung stellt mehr Geld für Schulsozialarbeit zur Verfügung.

Hamburger Abendblatt 23. April

Viele Schüler sind mangelhaft erzogen. Sie sind verhaltensauffällig. Dies ist in der Tat ein gesellschaftliches Problem - aber vor allem ein bildungspolitisches.

Die "moderne" Bildungspolitik fordert heutzutage Lehrer, die dem Schüler höchstens "auf Augenhöhe" begegnen dürfen. Für Problemschüler ist dies eine Einladung, "dem Lehrer auf der Nase herumzutanzen".

Wer den Lehrern helfen will, muss zu allererst die Schulgesetze ändern. Diese nennen Bildungs- und Erziehungsziele, die sich an einem antiquierten reformpädagogischen Konzept orientieren: Der Schüler wird dort ermutigt, seine selbstbestimmte Freiheit uneingeschränkt auszuüben.

Die Erziehung zum Respekt gegenüber dem Lehrer ist zweitrangig. Ordnung, Fleiß, Leistungsbereitschaft und Pünktlichkeit sind nach diesem Konzept auch nur Tugenden zweiter Klasse - eben "Sekundärtugenden".

Der "moderne" Lehrer hat sich als "Moderator" zu verstehen. Er soll für eine "Wohlfühlveranstaltung" sorgen, die sich dann Unterricht nennt.

Der Spaß steht an vorderster Stelle, erst dann kommt der Wissensfortschritt, wenn überhaupt.

Denn Lernen bedeutet Anstrengung und Anstrengung macht in der Regel keinen Spaß.

Die Schule hat per Gesetz einen Erziehungsauftrag. Nur: Erziehung ist verbunden mit Grenzsetzung und folglich mit Machtausübung.

Die Ausübung sozialisierter, gewaltfreier Erziehungsmacht ist dem Lehrer heutzutage aber faktisch untersagt. "Autorität" und "Respekt" als Ergebnis machtorientierten Erziehungshandelns eines Lehrers mit Alters-, Wissens- und Erfahrungsvorsprung sind in der heutigen Schulwelt unerwünscht, weil verdächtig und auch unnötig: Der Gesetzgeber geht a priori von wohl erzogenen Schülern aus, die sich auch noch selbstständig und freiwillig bilden. Dies ist utopisch und die Machtfrage ein Tabu.

Die von den Bildungsoberen bewusst geförderte Unterbindung effizienten Erziehungshandelns kann durch "Schulsozialarbeit" nicht kompensiert werden. Dies ist illusorisch.

Zunächst ist unseren Lehrern ihre Erziehungsmacht per Schulgesetz zurückzugeben. Danach ist in den Kollegien ein Konsens in Erziehungsfragen herzustellen, der heutzutage nicht existiert. Hier sind die Schulleiter gefordert.

Um die Problemschüler in den Griff zu bekommen, bietet sich schließlich an, konsequent die digitale Schülerakte einzuführen.

Sie lässt, auch als Störfall-Dokumentation ausgelegt, die Entwicklung eines Schülers zum "Störer" schon früh erkennen. Fazit: Die Lehrer könnten sich selbst helfen, wenn sie es nur dürften.

Christian Böhm, Uetersen

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