Elmshorner Schulleiter war nach Streik suspendiert worden. Nun muss er seine Meinung zum Ausstand widerrufen und bekommt seinen Job zurück

Kreis Pinneberg/Kiel. Ein unangenehmes Nachspiel hat der Lehrer-Streik aus dem Juni vorigen Jahres für beamtete Schulleiter, deren Stellvertreter sowie Lehrer in besonderen Funktionen gehabt. Sie wurden zu Schulräten oder direkt ins schleswig-holsteinische Kultusministerium einbestellt, um ihre Meinung zum Ausstand zu widerrufen und künftiges Wohlverhalten zu geloben. Dabei wurden sie nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) teils massiv unter Druck gesetzt. Wie GEW-Landesgeschäftsführer Bernd Schauer sagte, nahmen rund 40 Kollegen anwaltliche Unterstützung in Anspruch, um das Schlimmste zu verhüten - das Nicht-Bestehen der Probezeit.

Einer, der ebenfalls "zu Kreuze kriechen" musste, ist Claus-Timm Carstens. Vor dem Streik war er Schulleiter der Gemeinschaftsschule Langelohe in Elmshorn. Nach seiner Teilnahme an dem Ausstand wurde Carstens, der sich in der Probezeit befand, von der Leitungsposition abberufen. Er klagte mit Hilfe der GEW gegen seine Suspendierung und setzte per einstweiliger Verfügung durch, dass die Schulleiterposition bis zu einer Entscheidung über seine Klage im Hauptsacheverfahren nicht wiederbesetzt werden durfte.

Die Klage hat sich inzwischen erledigt. Carstens und das Kultusministerium einigten sich offenbar darauf, dass er einen Widerruf abgibt und Besserung gelobt - dafür erhält er dann seinen Job zurück. Zum neuen Schuljahr wird Carstens, der zurzeit als einfacher Lehrer an der Gemeinschaftsschule eingesetzt ist, wieder die Schulleitung übernehmen - wenn auch laut offizieller Sprachregelung zunächst kommissarisch. Das bestätigt die GEW. Das Ministerium will sich mit Hinweis auf das "noch nicht abgeschlossene Disziplinarverfahren" nicht zu Details äußern..

Am 3. Juni vorigen Jahres hatten landesweit 3500 Lehrer wegen Verlängerung von Arbeitszeiten und anderer Verschlechterungen der Unterrichtsbedingungen gemeinsam mit Schülern und Eltern demonstriert - während der Unterrichtszeit, sodass der Tatbestand eines Streiks erfüllt wurde.

Dass dies gegen das Beamtenrecht verstieß, war den Pädagogen klar. Wie das Hamburger Abendblatt von Beteiligten erfuhr, rechneten sie als Konsequenz mit Einträgen in die Personalakte und Gehaltskürzungen, nicht aber mit einem derartig heftigen Gegendruck in Personalgesprächen. Ihnen wurden Schreiben mit Formulierungen vorgelegt wie "...versichere ich, mich in Zukunft an keinem Streik zu beteiligen und erkläre, dass ich sowohl meine allgemeinen Dienst- und Treuepflichten als auch meine spezifischen Loyalitätspflichten wahrnehmen werde".

GEW-Landesgeschäftsführer Schauer: "Außer dieser Erklärung, mit der Beteiligung am Streik falsch gehandelt zu haben, stand die Aussicht im Raum, Schwierigkeiten zu bekommen in etwa nach der Devise ,Sie wollen doch die Probezeit bestehen . . .'" Dieser Wink mit dem Zaunpfahl führte dazu, dass Lehrer - zähneknirschend - unterschrieben, um ihre berufliche und damit wirtschaftliche Zukunft nicht zu gefährden. Nach Abgabe der Erklärung beließ es das Ministerium nach Angabe von Schauer bei der Verlängerung der Probezeit um ein Jahr.

"Unfug", sagte Thomas Schunck, Pressesprecher des Kultusministeriums zum Vorwurf, den Pädagogen sei in den Gesprächen die Meinungsänderung abgepresst worden. In Einzelfällen seien möglicherweise Unterschriften geleistet worden. Schunck erklärte, nicht aus Dienstgesprächen berichten zu können, stellte aber die Position der Behörde heraus: "Der Minister hat immer wieder betont, dass beamtete Lehrer nicht streiken dürfen. Das Recht, in ihrer Freizeit zu demonstrieren, hat er ihnen nicht abgesprochen. Loyalität ist ein wesentlicher Bestandteil des Beamtenverhältnisses, darauf wird auch in einer Probezeit geachtet. Streikt ein Beamter doch, begeht er einen Rechtsverstoß. Das steht im Widerspruch zu einer Funktion als Führungskraft."

Die juristische Lage ist auch den rebellischen Pädagogen klar. Was sie nervt, ist die Art der Reaktion. "Seit Jahren weisen wir auf dem Dienstweg auf Mängel und Probleme hin. Viele der Kollegen engagieren sich weit über das geforderte Maß hinaus - aber wir werden vom Ministerium ignoriert. Wir wussten uns einfach keinen anderen Rat mehr als den Streik", sagte eine Betroffene - eine von insgesamt 2000 Lehrerinnen und Lehrern gegen die Disziplinarverfahren angestrengt wurden. Ob durch die Loyalitätserklärungen künftig Streiks verhindert werden, weiß niemand. Offensichtlich ist hingegen, dass viele Pädagogen durch den Druck aus Kiel kräftig demotiviert worden sind. Das räumen alle Betroffnen unumwunden ein.