Energieberater warnen. Stadtwerke handeln unterschiedlich. Elmshorn will Vorreiter sein. Die Entscheidung trifft die Bürger.

Kreis Pinneberg. Die Elmshorner Stadtwerke haben beschlossen, aus der Atomenergie auszusteigen. Zum 1. Mai sollen die rund 35 000 Kunden des städtischen Unternehmens keinen Atom- und Kohlestrom mehr bekommen. Die Entscheidung trifft den Nerv der Bürger. In der Branche ist sie umstritten. Auch Energieberater der Verbraucherzentrale warnen.

"Der Begriff Ökostrom ist rechtlich nicht definiert", sagt Klaus Bückner, Energieberater der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein. "Diese Grauzone nutzen viele Energieanbieter und schichten lediglich vorhandene Strommengen um oder erwerben sogenannte RECS-Zertifikate. Diese Zertifikate gelten als Herkunftsnachweis für erneuerbare Energien und stammen überwiegend von Wasserkraftwerken aus Skandinavien und den Alpenländern. So lässt sich deutscher Kohle- oder Atomstrom ganz legal in Ökostrom umetikettieren", sagt der Energieberater.

Henning Fuchs, Chef der Pinneberger Stadtwerke, spricht von einer Mogelpackung und beobachtet "mit Sorge, dass in unmittelbarer Umgebung Energieversorger behaupten, sie könnten binnen weniger Wochen ihr komplettes Gebiet atomstromfrei beziehungsweise aus regenerativen Energien beliefern". Das sei nur möglich mithilfe von Zertifikaten beispielsweise für Strom aus Wasserkraft. Dabei gehe es aber nur um einen Bezeichnungshandel, nicht um einen tatsächlichen Stromhandel. "Rein physikalisch kommt in jedem Haushalt hier in Norddeutschland auch weiterhin ein Strom-Mix an mit einem hohen Anteil von Atomenergie", sagt Fuchs. Pinnewürde so ein fragwürdigen Etikett etwa 100 000 Euro pro Jahr.

Verbraucherberater Klaus Bückner rät, bei Ökostromanbietern darauf zu achten: "Investition in den Ausbau der erneuerbaren Energien, keine zusätzlichen Stromtarife auf Atomstrom- oder Kohlekraftwerks-Basis sowie kein Handel mit Strom aus solchen Quellen." Laut Verbraucherzentrale entsprechen nur vier Ökostromanbieter diesen Vorgaben, das sind: Elektrizitätswerke Schönau (EWS), LichtBlick, Greenpeace Energy und Naturstrom AG.

Das, so betont Pinnebergs Stadtwerkechef Fuchs, werde auch mit seinem Ökostromprodukt "energreen geschafft. "Der Mehrpreis gegenüber 'normalem' Strom kommt ausschließlich der Förderung regenerativer Energien zugute."

Ben Lodemann, 43, Lotse und Vater von zwei Jungs, hat sich für das Greenpeace-Modell entschieden. "Fossile Brennstoffe sind endlich und jede Verbrennung erzeugt Reste." Die Familie, die in Hetlingen lebt, vertraut aber nicht nur darauf, dass andere für einen Ausbau der umweltfreundlichen Energieerzeugung sorgen. Lodemanns haben auf dem Kindergarten der Gemeinde eine große Solaranlage errichten lassen. "Das ist eine Investition in die Zukunft unserer Kinder", sagt der Familienvater.

Auch die Elmshorner Stadtwerke wollen nicht nur schöne Zertifikate für Strom aus österreichischer Wasserkraft erwerben. Bis 2025 sollen 75 Prozent des Stroms, der durch Elmshorns Leitungen fließt, auch in der Region durch Sonne, Wind und Wasser selbst erzeugt werden. Die Kunden, so versprechen die Verantwortlichen, werden durch den Ausstieg nicht belastet.

Ob eine zuverlässige Stromversorgung allein aus erneuerbaren Energien in Deutschland machbar ist, soll das das Fraunhofer-Institut nachweisen. Wind- und Biogaskraftwerke sowie Solarstromanlagen werden in Modellen und Feldversuchen verknüpft und zentral gesteuert. Dr. Kurt Rohrig, stellvertretender Leiter des Fraunhofer-Instituts: "Ein vollständiger Umstieg auf regenerative Energien ist aus Gründen des Klimaschutzes und angesichts endlicher fossiler Ressourcen unumgänglich."

Energieberatung : Pinneberg, Donnerstag, 7. und 21. April, in der Kreisverwaltung, 04101/212-108. Weitere Infos über Ökostromtarife : www.verifox.de Weitere Infos übers Modellprojekt : www.kombikraftwerk.de