Bürgermeister Singer will mit Aktion die Debatte über den Denkmalschutz auf der Insel neu entfachen

Helgoland. Im Jahr 1952 begann der Wiederaufbau auf der deutschen Hochseeinsel Helgoland. Heute messen Architekturkenner dem vom Bauhaus inspirierten Stil den Wert einer "Blauen Mauritius der jungen bundesrepublikanischen Architektur" bei. Die meisten Bewohner und Übernachtungsanbieter auf der Insel sehen das seit vielen Jahren ganz anders. Für sie ist das Leben in ihrem "Museum" nicht mehr quadratisch, praktisch, gut - es ist vielmehr wohnlich unattraktiv, und der Erhalt ist für viele Helgoländer sehr kostspielig geworden.

Auch wenn diese Widersprüche für Bürgermeister Jörg Singer nichts Neues sind, will er damit genauso wenig leben wie seine Vorgänger - die hissten schwarze Flaggen des Protestes und klagten gegen den Denkmalschutz. Dieser habe die Insel vor über 30 Jahren "tiefgefroren und für Architektur und bei den Menschen einschneidende Frostschäden hinterlassen", sagt Singer. "Jetzt ist es an der Zeit, dass uns die Denkmalschützer endlich aus der Kühltruhe holen und uns wach küssen", fordert der Bürgermeister.

In der vergangenen Nacht erhielt das Helgoländer Rathaus ein neues pinkfarbenes Kleid. Mit dieser Aktion möchte Singer die Denkmalschützer dafür gewinnen, in den kommenden Monaten mit den Helgoländern neue Architektur-Perspektiven für die nächsten 50 Jahre zu entwickeln.

Das Betonskelett des Rathauses zeigt Risse, und es ist feucht

Vor zwei Jahren hatte die Gemeinde den Kreis Pinneberg als Träger der Unteren Denkmalschutzbehörde sogar verklagt. Streitobjekt war das Rathaus der Gemeinde. Der Ende der 50er-Jahre errichtete Bau steht wie alle Gebäude der Insel unter Denkmalschutz. Die Gemeinde wollte die Fassade des Gebäudes sanieren, um Energiekosten zu senken und Bauschäden zu beseitigen. Doch die Denkmalschutzbehörde stellte sich quer - und bekam Recht.

Das Betonskelett des Rathauses zeigt Risse, es dringt Feuchtigkeit ins Gebäude - und die Wärmedämmung ist mangelhaft. Das Sanierungskonzept war einfach: Die Helgoländer hatten geplant, ihr Rathaus in eine 11,5 Zentimeter dicke Schicht aus Mineralwolle "einzupacken" und eine neue, der alten nachempfundene Fassade "darüber zu nageln".

Laut Denkmalschutzbehörde würde eine Außenisolierung das Verhältnis von Länge und Breite des Gebäudes ruinieren. Sie will lediglich eine Innendämmung zulassen.

Die zweite Kammer des Verwaltungsgerichts hatte befunden, dass für ein unter Denkmalschutz stehendes Gebäude die Vorgaben der Energiesparverordnung nicht gelten würden. Daher bestehe für die Gemeinde keine Pflicht zu einer Wärmeisolierung des Gebäudes. "Für uns ist Denkmalschutz von höherem öffentlichen Interesse", sagt Marion Koll, Sprecherin des Verwaltungsgerichtes. Die Kammer habe befunden, dass es "auch andere technische Möglichkeiten gibt, das Gebäude zu dämmen".

Kreis: "Für diese Zeit eines der wichtigsten Architekturgebäude"

Singers Vorgänger, der ehemalige Bürgermeister Frank Botter, sagte damals, eine Innendämmung würde eineinhalb Jahre dauern und drei Mal so teuer werden wie die von der Gemeinde vorgeschlagene Lösung.

Helgolands Rathaus wurde Anfang der 50er-Jahre von den Hannoveraner Architekten Friedrich und Ingeborg Spengelin entworfen. "Es ist für diese Zeit eines der wichtigsten Architekturgebäude", sagt Annelie Fesser von der Denkmalschutzbehörde.