Großstadt-Mission feiert 100-jähriges Bestehen. Frauenstift, Kinderheim und Wohngemeinschaft für Behinderte

Prisdorf. Die Geschichte der diakonischen Hilfe von Menschen in Not begann für Prisdorf mit einem traurigen Bericht: Aus dem eiskalten Wasser der Alster wurde die Leiche einer jungen Frau geborgen. Sie hatte nichts dabei. Ihre Taschen waren leer. Bis auf einen kleinen Zettel, auf dem stand: "Verwandte habe ich nicht, habe keinen Menschen. Ich kann nicht weiter!"

"Dieses tragische Ereignis rüttelte Menschen wach. . Jungen Frauen, die sich in einer verzweifelten Lage befanden, sollte geholfen werden", erzählt Bert Broers, Leiter für geistlich-theologische Fragen bei der Großstadt-Mission in Hamburg. Louise Gottschalg ergriff vor gut 100 Jahren die Initiative. "Mit einem brennenden Herzen, aber leerem Geldbeutel", so heißt es in der Chronik, machte sie sich auf den Weg. Sie wollte helfen und suchte Verbündete. Sie fand den Zugang zu wohlhabenden Frauen aus den gutbürgerlichen Häusern Hamburgs, darunter Elise Mathilde Mönckeberg, die Ehefrau des Hamburger Bürgermeisters. Am 16. Februar 1911 wurde die "Stiftung Frauenkolonie" Prisdorf gegründet.

Im Protokoll heißt es: "Am Leben zerbrochene, verlassene und verstoßene Frauen und Mädchen sollen dem wüsten Treiben und Gefahren der Großstadt entnommen werden. Stattdessen sollen sie in der Landwirtschaft, beim Gemüsebau sowie in der Wäscherei und Näherei eine sinnvolle Beschäftigung finden". So wurde umgesetzt, was die Diakonie sich bis in die Gegenwart auf die Fahnen geschrieben hat: Menschen in Not beistehen. Staatliche oder kirchliche Unterstützung gab es in der Gründerzeit nicht. Die Betreuten und die Mitarbeiter mussten hart arbeiten, um sich den Lebensunterhalt zu sichern. Für das Pinneberger Krankenhaus wurde die Wäsche gewaschen. Den Transport bewältigte man mit Pferd und Leiterwagen. Als das Pferd starb, konnte aus Geldmangel kein Ersatz angeschafft werden. Also wurde eine willige Kuh vor den Wagen gespannt.

Bedingt durch den Ersten Weltkrieg und die Inflation kam die Frauenkolonie, die sich zwischenzeitlich in "Jungmädchenheim Prisdorf" umbenannt hatte, an den Rand der Insolvenz. In dieser Zeit wurde die Großstadt-Mission von Prediger Wilhelm Müsken gegründet. Kurz nach der Gründung übernahm sie auf Bitten der Verantwortlichen das Jungmädchenheim Prisdorf.

"Das war alles andere als eine 'feindliche Übernahme', sondern ein großes Wagnis, ein Glaubensschritt. Die Leitung der Großstadt-Mission sah sich trotz mancher Unwägbarkeit in der Pflicht", erzählt Bert Broers.

Ende des Zweiten Weltkrieges wurden eines die beiden Hamburger Kinderheime der Großstadt-Mission von Bomben getroffen. Zunächst wurden die Kinder provisorisch im Saal des Jungmädchenheimes in Prisdorf untergebracht. Bald entstanden im Prisdorfer Dahl die Holzbaracken. Dort fanden die Kinder ihr Zuhause. Zu Spitzenzeiten wurden über 60 Kinder und Jugendliche im Kinderheim betreut.

In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die Schwerpunkte der sozial-diakonischen Arbeit in Prisdorf rasant entwickelt und verändert. Die Kinder- und Jugendhilfe wurde größtenteils nach Hamburg verlegt. Im "Haus am Ellernstrang" existierte bis 1998 eine berufsvorbereitende Einrichtung für lernbehinderte junge Frauen. Aus diesem Engagement hat sich die umfangreiche Arbeit mit Menschen mit Behinderungen entwickelt. Heute leben 40 Erwachsene stationär begleitet in den vier Prisdorfer Wohngruppen der Eingliederungshilfe. Andere sind so weit selbstständig, dass sie im eigenen Wohnraum leben und nur noch eine ambulante Hilfe benötigen. Broers: "Die Betreuten werden gefördert und unterstützt, um in größtmöglicher Eigenständigkeit leben zu können."