Diabetiker gründen Selbsthilfegruppe in Pinneberg, um einander zu unterstützen, mit der Krankheit zu leben

Kreis Pinneberg. Regina fiel mit vier Jahren ins Koma. In der Klinik entdeckten die Ärzte schnell den Grund: Das Kind litt an Diabetes mellitus Typ 1. Das bedeutet: Körpereigene Zellen zerstören die Insulinproduktion in der Bauchspeicheldrüse, damit fehlt der Stoff, der das Zucker in unserem Blut für die Energiegewinnung aufbereitet. Stattdessen zerstören die Zuckermoleküle unser Nervengewebe. Um zu überleben, lernte das kleine Mädchen früh, sich selbst das lebenswichtige Insulin zu spritzen.

Warum der Körper die Insulinproduktion selbst zerstört, darüber forschen Mediziner seit mehr als 100 Jahren. Mit dem Lebensstil habe das nichts zu tun, sagte Professor Manfred Dreyer, einer der führenden Diabetologen in Hamburg. Von ihm hat die so jung erkrankte Pinnebergerin viel gelernt. Der Arzt begleitete Regina Judzinsky durch die Schwangerschaft und unterstützte sie so, dass sie jetzt schon gut 30 Jahre mit dem Diabetes leben kann. "Ich habe nur ein wenig Probleme mit den Augen", erzählt die gelernte Arzthelferin, die jetzt in der Datenverarbeitung für den Tüv Nord in Hamburg arbeitet. "Auch mein Arbeitgeber unterstützt mich fantastisch", sagt sie.

Nicht alle Diabetiker, schon gar nicht diejenigen, die mit dem auch als Alterszucker bezeichneten Diabetes Typ 2 leben müssen, machen so gute Erfahrungen mit Chefs und Ärzten. Um dieses Wissen um Krankheit, Folgen und Therapien miteinander auszutauschen, haben drei Männer die Initiative ergriffen und in Pinneberg eine Selbsthilfegruppe gegründet. Klaus-Dieter Pritzkow, Gerhard Schmoldt und Volker Behrens sind mit der Resonanz zufrieden. Gut 30 Betroffene beteiligten sich am ersten Treffen. Regelmäßig an jedem dritten Dienstag im Monat kommen Betroffene und Angehörige um 19 Uhr im VfL-Klubheim am Fahltskamp 53 zusammen. Nächste Gelegenheit, um Kontakt aufzunehmen, ist der 15. März.

"Wir benötigen eine starke Solidargemeinschaft", sagt Klaus Pritzkow. Deshalb hat er dafür gesorgt, dass sich die Gruppe dem Deutschen Diabetiker Bund anschließt. 90 Mitglieder gehören im Kreis dazu. Betroffen von "Zuckerkrankheit", wie das Leiden im Volksmund heißt, sind mehr. Laut Statistik ist die Insulinproduktion bei zehn Prozent der Bürger geschädigt - das sind 30 000 Menschen im Kreis Pinneberg.

Früher trat die Krankheit zumeist im Alter auf. Betroffen waren überwiegend Menschen, die sich ungesund ernährten und zu wenig bewegten. Aber es trifft auch andere. Pritzkow, ein großer, aber nicht übergewichtiger Mann, musste vor zehn Jahren die bittere Diagnose erfahren. "Ich wachte nachts auf. Mir klebte die Zunge am Gaumen. Ich hatte fürchterlichen Durst, trank etwas, und eine Stunde später musste ich wieder hoch, um zur Toilette zu gehen."

Der Kaufmann und Pharmareferent nahm die Behandlung schnell in die eigene Hand. Er ließ sich schulen, und zwar mit der Partnerin. "Es ist ganz wichtig, die Ernährungsgewohnheiten umzustellen", berichtet Pritzkow. Fünf Wochen musste er seinen Heißhunger zügeln. Mittlerweile lebt er zufrieden mit dem gesunden Essen.

Der Diplom-Verwaltungswirt Gerhard Schmoldt, ebenfalls einer der Initiatoren der Gruppe, hat in der Familie viele Leidensgeschichten miterlebt. Vom Hausarzt war vor vielen Jahren einer Angehörigen, die an Diabetes litt, ein "Hafertag" pro Woche verordnet worden. Sie starb mit 62 Jahren am Herzinfarkt. Wer acht Stunden während des Studiums mit dem Thema Diabetes beschäftigt sei, könne nicht alles wissen. Deshalb sei eine Weiterbehandlung bei Spezialisten lebenswichtig.

Im Kreis Pinneberg praktizieren derzeit drei Diabetologen. "Das sind zu wenig", sagt Klaus Pritzkow. Umso wichtiger sei, dass der Kranke sich selbst fit macht, um mit der Krankheit zu leben - so wie Dieter Staege. Der ehemalige Postbeamte hat seit 1986 gelernt, erst mit Tabletten, dann mit der Spritze und jetzt mit der computergesteuerten Insulinpumpe zu leben. Auch er gehört zur Gruppe, denn gemeinsam lässt sich diese Last leichter ertragen.