Werteverfall, Sterbehilfe, Zölibat und sexueller Missbrauch - Gläubige suchen nach Gründen und Auswegen aus der Krise

Quickborn. Sexueller Missbrauch von Priestern im Amt. Wie zeitgemäß ist der Zölibat? Darf man sich scheiden lassen? Ist Sterbehilfe erlaubt? In der katholischen Kirche fehlt es nicht an brisanten Fragen, die die Gläubigen bewegt. Die katholische St. Mariengemeinde in Quickborn hat die Skandale um den Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in der katholischen Kirche zu einer ungewöhnlichen Vortragsreihe veranlasst: Mithilfe von zwölf Referenten will Pfarrer Wolfgang Guttmann der Frage nachgehen: "Wie können wir leben? Ethik und Christsein heute."

Dabei sei die katholische Welt in Quickborn noch in Ordnung, versichert der engagierte Geistliche Guttmann, der vor elf Jahren den Neubau seiner Kirche am Kurzen Kamp realisieren konnte. "Die Zahl unserer Mitglieder ist mit 2100 Personen weiter stabil." Den 25 Austritten standen 2010 zehn Eintritte gegenüber.

Pfarrer Guttmann hat mit Anne Schommer und Christel Heidemanns aus dem Gemeinderat diese Vortragsreihe ausgearbeitet. "Wir wollen über den Wertewandel und Werteverlust in unserer Gesellschaft diskutieren", kündigt Guttmann an. Er ist froh, dass es ihm gelungen ist, für alle Themen hochkarätige Referenten gewonnen zu haben, die sogar aus Köln, Berlin und Münster anreisen, darunter sind auch Vertreter der evangelischen Kirche.

Jede Veranstaltung werde etwa zwei Stunden dauern. Sie beginnt zunächst mit dem Vortrag in der Kirche, der mit Gebet und Gesang beendet wird. Danach könne sich jeder überlegen, ob er das Gehörte lieber im privaten Bereich ansprechen oder im Gemeindesaal in großer Runde mit dem Referenten noch mal ausführlich diskutieren möchte. "Mir ist wichtig, dass diese Dinge in der Kirche angesprochen werden", betont Guttmann. Seine Kirche soll "ein Ort der Offenheit" sein.

Los geht es mit dem Thema "Glaube und Moral" am Dienstag, 15. Februar. Der Prälat Patrick Boland wird über gleiche und ungleiche Zwillingspärchen sprechen. Eine Woche später am 22. Februar geht es um "Partnerschaft und Sexualität". Werner Strodmeyer von der Beratungsstelle für Ehe und Familie im Erzbistum Hamburg nimmt sich des "Liebeslebens zwischen Würde und Scham" vor. Widerspruch von männlicher Seite verspricht das Thema "Der männliche Gott und die Folgen" am 1. März. Aurica Nutt, Dozentin für feministische Theologie in Münster, ist dafür die Gesprächspartnerin. "Auf Nummer sicher!?" ist für den 8. März der Abschluss dieses ersten Vortragskanons betitelt, bei dem die Moraltheologin Katharina Klöcker die Moral der Terrorbekämpfung untersucht.

Vier Veranstaltungen sind vom 7. bis 28. Juni geplant. Katrin Bentele vom Deutschen Ethikrat spricht mit "Menschens-Kinder?" am 7. Juni die umstrittene Pränataldiagnostik an. Geschichte und Zukunft von Priestertum und Ehelosigkeit ist das Thema am 14. Juni. "Bis dass der Tod uns scheidet" behandelt am 21. Juni pastorale Fragen zur Ehescheidung und Wiederverheiratung. Referent ist Pinnebergs Gemeindepfarrer Bernd Wichert. Fragen zu gleichgeschlechtlichen Lebensweisen geht der evangelische Lehrsupervisor Josef Kirch am 28. Juni auf den Grund.

Die vier letzten Vorträge beginnen am 8. November mit dem Thema des sexuellen Missbrauchs. Annette Hardt-Becker vom Verein "Innocence in Danger" aus Köln wird diskutieren. "Du sollst nicht töten" befasst sich am 15. November mit dem Afghanistan-Einsatz deutscher Soldaten. Ob unser kapitalistisches Wirtschaftssystem eine Art Ersatzreligion geworden ist, will Katja Strobel am 22. November klären. Mit dem Thema "In Würde sterben" endet die Vortragsreihe am 29. November. Michael Wunder von der evangelischen Stiftung Alsterdorf wird über passive Sterbehilfe sprechen.

Alle Vorträge beginnen um 19 Uhr. Guttmann ist überzeugt davon, dass er mit dieser Reihe ein überregionales Echo finden und seine Kirche voll sein wird. "Mein Erzbischof wird seine helle Freude daran haben."