Aus Äthiopien berichtet der Pinneberger Christian Stoephasius vom Einsatz für den Deutschen Entwicklungsdienst

Bahir Dar. Christian Stoephasius hat sich getraut. Statt im Reihenhaus mit fließend warmen Wasser und einer Vielzahl elektronischer Geräte lebt er für ein Jahr in Äthiopien, dem Land im Nordosten Afrikas, das nach einer Studie der Vereinten Nationen auf Platz 171 von 182 bei der Entwicklung liegt. Der Pinneberger, 20, ist seit September über den Freiwilligendienst im Ausland als Assistenzlehrer an einer Schule beschäftigt. Für die Pinneberger Zeitung hat er einen Bericht geschrieben, den wir in Teilen drucken und komplett im Internet zugänglich machen. Christian Stoephasius wird bei seiner Aufgabe vom Deutschen Entwicklungsdienst betreut und reiste nach einer 14-tägigen Vorbereitung in der Hauptstadt Addis Abeba ("Neue Blume") nach Bahir Dar, der drittgrößten Stadt des Landes.

"Es war wie in einer anderen Welt. Ich sauge diese Welt förmlich auf. Bereits die ersten Stunden in waren für mich spektakulär. Nicht nur, dass ich das Haus bezog, welches ich mir in Zukunft mit den anderen beiden Freiwilligen teilen würde. Wir gingen mit unserem Vermieter auf den Markt und vor allem in die Schule. In die 'Atse Sertse Dengel Melek Seged Primary School', kurz: 'Sertse', unserem zukünftigen Arbeitsplatz. Noch waren Ferien, und so konnten wir die Schule in aller Ruhe inspizieren. Die Schule machte einen sehr positiven Eindruck. Überall im Gelände sind Schatten spendende Bäume gepflanzt, und es sah alles einfach sehr rustikal aus. Vor allem begeisterte mich das große Sportfeld inklusive der zwei Großfeld-Tore. Nur war der "Rasen" leider bis zu zwei Meter hoch gewachsen.

Die nächsten Tage wurde Bahir Dar entdeckt! So fuhren wir täglich mit dem Bajaj (...), eine Art motorisierte Rikscha, zum wunderschönen Markt. (...)

Sehr bald wurden wir den Schülern präsentiert. Es war Feiertag, und es wurden Reden geschwungen. Schließlich wurden wir auf die Bühne gebeten und den Staunenden vorgestellt als Freiwillige für Englisch und Informationstechnologie sowie Sport. So wurden aus den Staunenden Jubelnde. (...)

Eine Primary School in Äthiopien ist etwas anderes als in Deutschland. Hier werden die Klassen 1 bis 8 unterrichtet. (...) Die Klassenräume sind kleiner als die unseren, dafür werden sie im Durchschnitt von etwa 50 Schüler gefüllt. Es gibt keinen Stromanschluss in den Klassenräumen . Es gibt sogenannte Querschnittsthemen wie Aids, Gender und Hygiene. Es sollten auch, mit einigen Ausnahmen, alle Fächer ab der fünften Klasse auf Englisch unterrichtet werden. Das sagt das Gesetz, es wird jedoch ignoriert. So ist unter anderem der Sportunterricht in Amharisch. (...)

Die Lehrer verlangten von uns, wir sollten mit unseren "deutschen" Methoden unterrichten. Ohne Strom ist aber Overhead-Projektor und Power-Point ausgeschlossen. Mit 50 Schüler ist es schwer, in Gruppen zu arbeiten. Und dass, bis auf Ausnahmen, die Schüler kaum ein Wort Englisch reden können, macht es auch nicht gerade einfacher. (...) Ich war jedoch sehr froh, als schließlich das Sportfeld per Hand mit Sicheln geschnitten wurde. Von da an konnte ich mich mehr einbringen.

Im Praxis-Unterricht beobachtete ich zunächst. Es war grauenhaft. Wie beim Militär. Der Lehrer schickt die Schüler mit der Trillerpfeife im Mund Laufen oder macht Übungen vor, die von den in Reih und Glied stehenden Schülern nachgemacht werden müssen. Kein Ball, kein Spaß, keine freiwillige Bewegung. Die Schüler heißen meistens 'Du' und wenn es zur Anwesenheitsliste kommt, werden sie von Nummern aufgerufen. Noch schlimmer. Hier wird körperliche Gewalt angewendet. (...)

Wie dem auch sei, ich habe es geschafft, ein wenig Spaß in die Sache zu bringen, in dem ich sowohl Schülern als auch Lehrern ein paar Spiele beibrachte - unter anderem Fangen. (...)

Die ersten drei Monate habe ich weder ausgekostet, noch habe ich Großartiges bewegt. (...) Das Beste fand ich die Begegnungen mit den vielen Menschen eines Landes, welches mit Deutschland nicht viel gemeinsam hat. Mit diesen Menschen und denen aus Deutschland, Spanien und Asien Gott, die Welt und Äthiopien zu erleben, ist für mich das Größte - so kann es weitergehen."

http://christianinethiopia.wordpress.com