Niedergang der Regio-Kliniken: Landesrechnungshof über Fehlentscheidungen, geschönte Zahlen und fehlende Kontrolle

Kreis Pinneberg. Mündlich hatte der Landesrechnungshof den Hauptausschuss des Kreistages darüber im Dezember informiert. Nun liegt der Kreispolitik auf beinahe 120 Seiten schwarz auf weiß vor, wer die Schuld trägt am wirtschaftlichen Niedergang der Regio-Kliniken als kreiseigener Betrieb: Demnach versagten Geschäftsführung, Aufsichtsrat und politische Gremien - die einen durch gravierende Fehlentscheidungen, die sie mit geschönten Zahlen lange vertuschen konnten, die anderen durch "Nichtausübung der ihnen obliegenden Kontrolle", stellen die Prüfer fest.

Aufschlussreich und neu für die Öffentlichkeit ist der frühe Zeitpunkt der Privatisierungsbestrebungen. So haben Geschäftsführer Alexander Schlick und der damalige Landrat Wolfgang Grimme als Aufsichtsratschef schon Mitte 2007, zwei Jahre vor dem Verkauf von 74,9 Prozent der Gesellschaftsanteile an die Sana AG, ohne Mandat der Politik mit den Banken über eine Veräußerung der Regio-Kliniken verhandelt. Dies sei "Voraussetzung" für das umstrittene Verkauf-Miet-Modell gewesen, das dem Krankenhausbetrieb kurzfristig 102 Millionen Euro bescherte, aber fast fünf Millionen Euro pro Jahr teurer als ein ganz normaler Kommunalkredit war. Grimme hatte diese frühe Privatisierungsabsicht gegenüber der Pinneberger Zeitung dementiert. "Klares nein. Das stimmt nicht." Und in einem Interview mit der PZ vor seinem Ausscheiden sagte er im März 2010: "Das Unternehmen hat keinen Schaden erlitten. Der Bürger hat keinen Nachteil gehabt."

Der Mehrheitsgesellschafter Sana hat nach der Übernahme Ende 2009 als erste Amtshandlung dieses Sale-and-lease-back gekündigt. Eine Rückzahlung hätte Regio "niemals erwirtschaften können", urteilen die Prüfer. "Das sale-and-lease-back-Geschäft hat erheblich zu der ungünstigen wirtschaftlichen Entwicklung der Regio-Kliniken GmbH beigetragen."

Der Politik wurden dabei nicht nur "die tatsächlichen Hintergründe" verschwiegen. Sie ist an der Nase herumgeführt worden: Bereits zwei Wochen vor der Zustimmung des Kreistages im Juli 2008 war das Leasingeschäft "rechtskräftig unterzeichnet". "Der Geschäftsführer verkaufte Immobilienvermögen der Gesellschaft ohne Legitimation durch den Gesellschafter."

Aber auch das sorglose Vertrauen der schwarz-gelben Kreistagsmehrheit rügt der LRH. Der Kreistag hätte zumindest einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer oder das eigene Rechnungsprüfungsamt hinzu ziehen müssen. Mit vollen Händen scheint die Geschäftsführung das Geld zum Fenster rausgeworfen zu haben. Personalkosten für Ärzte stiegen innerhalb eines Jahres um ein Viertel. 2008 hatte keine andere vergleichbare Klinik im Land so hohe Personalkosten. Der Fuhrpark mit BMW-Leasingmodellen mit Verträgen über 50 000 Jahreskilometer für alle leitenden Angestellten auch der 22 Tochtergesellschaften war einzigartig. Nicht einmal die Sana AG unterhält so viele Fahrzeuge.

Noch gravierender zeigt sich das verschwenderische Geschäftsgebaren beim 2007 gestarteten Expansionskurs der Regio-Kliniken. Bis 2009 seien rund zwei Dutzend Pflegeheime, Kassenarztsitze, Medizinische Versorgungszentren (MVZ), Rehabilitationseinrichtungen, Fitnessstudios, Sanitätshäuser, ambulante Pflegedienste und ein betriebsärztlicher Dienst planlos aufgekauft worden. "Die erstellten Businesspläne waren reines Wunschdenken und widersprachen den tatsächlichen Verhältnissen", rügen die Landesprüfer. Alles finanziert durch kurzfristige Bankkredite, deren Refinanzierung "nicht zu erwirtschaften" war.

Welche Ausmaße das annahm, zeigen zwei Beispiele. So verkaufte die Stadt Elmshorn Ende 2006 die Villa Mühlendamm für 50 000 Euro an das Alten- und Pflegeheim Elbmarsch. Nur ein Jahr später übernahm Regio diese Villa für 550 000 Euro und ließ sie aufwendig ohne Ausschreibung sanieren Die Elektroarbeiten führte dabei "der Lebenspartner der Dezernatsleiterin der Regio-Kliniken aus". Unter anderem deshalb ermittelt auch die Staatsanwaltschaft gegen die damalige Klinikleitung. Letztlich kostete die Villa Mühlendamm 1,3 Millionen Euro. Heute steht die Villa leer.

Größenwahn und Wunschdenken auch bei der Gründung eines MVZ am Jungfernstieg, was die Regio-Kliniken mit 1,2 Millionen Euro Fehlbetrag belastet. 1,8 Millionen Euro wurden investiert, um 2,4 Millionen Euro Einnahmen zu generieren. Tatsächlich brachte das MVZ nur eine Viertelmillion Euro ein. "Die Zahlung von Vergütungen an Ärzte, ohne dass diese tätig werden müssen, verstößt gegen jedes Wirtschaftlichkeitsgebot", wundern sich die Prüfer und kommen zu dem Schluss: "Die Haltung gegenüber den Verlusten der Regio-Kliniken GmbH zeigt einen unverantwortlichen Umgang mit anvertrautem Kreisvermögen, Steuern und Beitragsgeldern der Bürger."