Zulässiger Dioxingehalt bei Proben aus Uetersener Betrieb überschritten. Belastetes Tierfutter auf zwei Höfen im Kreis

Kreis Pinneberg. Der Skandal um dioxinbelastetes Tierfutter zieht immer weitere Kreise. Die Uetersener Firma Harles und Jentzsch, die verunreinigte Fette an zahlreiche Futtermittelhersteller geliefert hat und damit als Auslöser des bundesweiten Skandals gilt, dementierte gestern Gerüchte von einer unmittelbar bevorstehenden Insolvenz. Landesweit sind 82 Lieferungen von belastetem Tierfutter identifiziert worden, sie gingen an 52 Betriebe. Im Kreisgebiet sind offenbar nur zwei Schweinemastbetriebe betroffen. Erste Laborergebnisse aus Rückstellproben des Uetersener Unternehmens zeigen, dass der zulässige Grenzwert zum Teil überschritten wurde.

Gestern Nachmittag lagen im Kieler Landwirtschaftsministerium erste Laborergebnisse vor. "Die Proben haben in einigen Fällen ergeben, dass der zulässige Dioxingrenzwert in der Fettsäure überschritten wurde", berichtet Ministeriumssprecher Christian Seyfert. Die Dioxingehalte der untersuchten Rückstellproben der Firma Harles und Jentzsch schwanken zwischen 0,44 Nanogramm (Ng) bis 10,05 Ng Dioxin. In elf Fällen wurde der gesetzlich zulässige Höchstgehalt, der bei 0,75 Nanogramm liegt, damit zwar unterschritten. In neun Fällen jedoch wurde er teilweise deutlich übertroffen.

Grundsätzlich ist laut Seyfert davon auszugehen, dass im Prozess der Futtermittelherstellung wegen der Beimischung anderer Futterkomponenten der Dioxingehalt unterhalb des Grenzwerts absinkt.

Seyfert: "Eines bleibt aber festzuhalten: Diese neun Proben waren nicht für die Futtermittelherstellung geeignet." Insgesamt hatte das Ministerium 112 Proben aus Eingangs- und Ausgangsware der Firma Harles und Jentzsch zur Untersuchung gegeben. 92 weitere Laborergebnisse stehen noch aus. Die Ergebnisse werden in den kommenden Tagen erwartet und sukzessive veröffentlicht. Für Verbraucher ist unter 0431/160 66 66 ein landesweites Info-Telefon geschaltet.

"Wir arbeiten weiter", äußerte sich Firmengeschäftsführer Siegfried Sievert zu Gerüchten, der Betrieb müsse noch am Donnerstag Insolvenz anmelden. Er gab an, dass der zweite Geschäftszweig des Unternehmens, die Produktion von technischen Fettsäuren, die Existenz sichere. Fettsäure für die Futtermittelherstellung darf der Betrieb laut amtlicher Verfügung vorerst nicht mehr produzieren.

Harles und Jentzsch soll zwischen dem 12. November und dem 23. Dezember bis zu 3000 Tonnen verseuchtes Futterfett an 25 Futtermittelhersteller in acht Bundesländern geliefert haben. Die technische Fettsäure, die eigentlich für die Papierherstellung vorgesehen war, soll laut Unternehmensdarstellung versehentlich dem Futterfett beigemischt worden sein. Diese Darstellung wird von Fachleuten bezweifelt.

Die Staatsanwaltschaft Itzehoe ermittelt gegen Geschäftsführer Sievert sowie weitere Verantwortliche der Firma wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch. Ihnen drohen bis zu drei Jahre Haft. "Wir haben bei der Razzia am Mittwoch umfangreiches Beweismaterial sichergestellt", erläutert Oberstaatsanwalt Ralph Döpper. So seien sämtliche Firmenunterlagen der vergangenen fünf Jahre, die strafrechtlich relevant sind, beschlagnahmt worden. Döpper: "Die Auswertung der Unterlagen wird einige Zeit in Anspruch nehmen." Es seien drei Staatsanwälte sowie diverse Mitarbeiter des Landeskriminalamtes mit der Sichtung der Unterlagen befasst, die 500 Aktenordner umfassen sollen.

Harles und Jentzsch drohen Regressforderungen in Millionenhöhe von den geschädigten Betrieben. Ob das Unternehmen für solche Fälle versichert ist, ist nicht bekannt. Inzwischen gibt es erste telefonische Drohungen gegen Firmenverantwortliche. "Wir haben Schutzmaßnahmen eingeleitet", erläutert Frank Lassen, Leiter der Uetersener Polizeistation.

Harles und Jentzsch, 1980 gegründet, produziert mit 15 Mitarbeitern unter anderem Futterfette für Schweine, Rinder, Geflügel und Legehennen. Außerdem stellt es technische Fettsäuren für die Industrie her. Der Jahresumsatz lag zuletzt bei etwa 20 Millionen Euro.

Im Kreis Pinneberg gehören offenbar nur zwei Schweinemastbetriebe zu den Geschädigten - einer im Norden, einer im Westen des Kreisgebietes. "Wir werden die Namen zum Schutz der Betroffenen nicht veröffentlichen", so Kreissprecher Marc Trampe. Die Betriebe seien darauf hingewiesen worden, dass sie keine Tiere schlachten und auf den Markt bringen dürfen. Trampe: "Unsere Veterinäre stehen in ständigem Kontakt mit den Betrieben und waren dort auch gestern vor Ort." Das landesweite Schlachtverbot soll gelten, bis Laborergebnisse da sind. Untersucht werden unter anderem neue Mischfettproben aus Uetersen sowie sogenannte Rückstellproben - Proben, die Harles und Jentzsch vor geraumer Zeit selbst entnommen hat. Auch das fertige Futtermittel wird geprüft.