Schleswig-Holsteins Bildungsminister begründet die Disziplinarverfahren gegen rund 1900 Beamte, die sich an einem Streik beteiligten

Es ist schon bemerkenswert, dass sich ein Lehrer - öffentlich und in dieser Zeitung - darüber aufregt, dass er für nicht geleistete Arbeit nicht auch noch bezahlt wird. Das sollte er einmal einem Handwerker erzählen, der käme wohl nie auf eine so abstruse Idee. Der Lehrer empfindet es sogar als "obrigkeitsstaatliche Gängelung", wenn er - der Staatsdiener - für zwei wegen rechtswidriger Streik-Teilnahme nicht geleistete Unterrichtsstunden kein Geld bekommt. Abgesehen davon, dass das unerlaubte Fernbleiben vom Unterricht den Schülern gegenüber kaum zu vertreten ist, zeigt dieser Lehrer ein merkwürdiges Rechtsverständnis. Vorbild Lehrer? In diesem Fall lieber nicht.

Das Thema "Lehrerstreik und Folgen" wird von geneigter Seite gern befeuert. Dabei bin ich sicher, dass jeder an meiner Stelle genauso entschieden hätte wie ich: Wenn Beamte streiken, verstoßen sie gegen geltendes Recht. Und wenn Beamte gegen geltendes Recht verstoßen, kann das nicht folgenlos bleiben. Um jedem Missverständnis vorzubeugen: Das Recht auf freie Meinungsäußerung gilt auch für Beamte. Sie haben das Recht auf Protest, nicht aber das Recht auf Streik. Kritiker trennen da oft nicht. Sie vermischen, um zu diskreditieren. Verbeamtete Lehrkräfte haben kein Streikrecht.

Hätten sie es, würde eine wesentliche Grundlage für das Beamtentum überhaupt - und damit auch für manch ein Privileg - fehlen. Völlig überzogen ist der Hinweis, der Beamtenstreik der Lehrkräfte sei ein "Akt zivilen Ungehorsams". Dieser Ausdruck bezieht sich auf höhere moralische Rechte, er hat seine Wurzeln im Kampf gegen Sklaverei und für Bürgerrechte. Auch Mahatma Ghandi hat sich darauf bezogen. Jede Leserin und jeder Leser mag selbst beurteilen, ob der Protest von Lehrkräften während ihrer Arbeitszeit wirklich in diese Reihe gehört. Die Rechtslage ist eindeutig. Und es versteht sich von selbst, dass ein Minister nicht gegen die Rechtsvorschriften verstoßen kann.

Als Dienstherr der streikenden Lehrkräfte lassen mir die Paragrafen 47 des Beamtenstatusgesetzes und 17 des Landesdisziplinargesetzes keine andere Wahl: Das Bildungsministerium muss bei dem Verdacht eines Dienstvergehens ein Disziplinarverfahren einleiten. Und - noch einmal zur Erinnerung: Für Beamte ist ein Streik ein Dienstvergehen. Genauso eindeutig ist es, dass es keine Strafmaßnahme ist, wenn der Staat für nicht geleistete Arbeit nicht zahlt. Es ist vielmehr automatische Folge, einen Teil der Besoldung einzubehalten, wenn ein Beamter unentschuldigt fehlt. Kein Arbeitgeber zahlt Lohn für nicht geleistete Arbeit. Und dies ist auch im Besoldungsrecht eindeutig festgelegt, einen Ermessensspielraum für das Ministerium gibt es in dieser Frage nicht. Wenn in der Debatte von "Gehaltskürzungen" als "Strafmaßnahme" die Rede ist, wird wider besseren Wissens verzerrt. Jeder, der rechtswidrig gestreikt hat, konnte im Übrigen die Folgen lange vorher absehen. Das Bildungsministerium hat schon am 26. Mai - weit vor dem Streiktag am 3. Juni - alle Schulen über den Sachstand informiert. Niemand kann über die Streikfolgen überrascht sein. Werdenden Führungskräften wurde auch noch von der eigenen Gewerkschaft geraten, auf eine Streifteilnahme zu verzichten. Denn klar war allen von Anfang an, dass Beförderungen bei eingeleiteten Disziplinarverfahren nicht gerechtfertigt sind. Dazu gibt es zudem ein Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1992.

Zurück zu dem Lehrer, der sich in dieser Zeitung über die Folgen rechtswidriger Streikteilnahme geäußert hat. Ich gehe davon aus, dass man von Führungskräften verlangen kann, sich an Recht und Gesetz zu halten. Ich sage sogar: Das ist eine Mindestanforderung. Niemand sollte so tun, als könnte der Minister bei den Lehrern ein Auge zudrücken. Er kann es nicht, und er will es nicht. Ich halte mich an die Rechtslage - anders als jene Beamte, die die Privilegien ihres Standes gern mitnehmen, ihre Pflichten indes gelegentlich vergessen.