Speeldeel zeigt am 19. November “De Grafenmord to Rantzau“ in der Fassung von 1898

Barmstedt. Es war eines der ersten politischen Attentate in der deutschen Geschichte. Das Verbrechen ist bis heute nicht ganz aufgeklärt. Noch immer ranken sich Legenden und Verschwörungstheorien um diesen Mord vor fast 200 Jahren im Rantzauer Forst in Barmstedt: Am 10. November 1721 starb Reichsgraf Christian Detlev zu Rantzau auf der Schnepfenjagd, erschossen vom Leutnant Detlev Prätorius. Jetzt bringt die Rantzauer Speeldeel "De Grafenmord to Rantzau" erstmals nach elf Jahren auf die Bühne.

Über die wahren Hintergründe wird noch heute rund um den Rantzauer See eifrig spekuliert. Als literarische Vorlage dient der Speeldeel die erste überlieferte schriftliche Bearbeitung dieser Moritat, die 1898 Ferdinand Hanssen verfasste.

Ein spektakulärer Mord im Rantzauer Forst, der nie ganz aufgeklärt wurde

Ihn habe dieses spektakuläre historische Kriminalstück seiner Heimatstadt schon immer fasziniert, erzählt Claus-Peter Jessen über die Beweggründe, sich erneut mit diesem nie ganz aufgeklärten Verbrechen auseinanderzusetzen. "Wir wollen diese spannende Geschichte mit allen ihren Facetten auf die Bühne bringen: Die Notlage der Bauern und ihre Klagen gegen den ungerechten Herrscher darstellen und dabei zeigen, wer alles ein Motiv für seinen Tod gehabt haben kann", kündigt Jessen an, der als Erzähler die Auftritte der zehn Darsteller im Alter von zehn bis 60 Jahren erklären wird.

Den Anstoß für diese erneute intensive Recherche mit dem sagenhaften Stoff haben vier Gemeinschaftsschülerinnen gegeben, die sich in einem Referat mit dem letzten Grafen beschäftigten. Er lebte in der Zeit, kurz bevor die Grafschaft Rantzau an Dänemark fiel. Graf Christian Detlev war der Enkel des ersten Reichsgrafen Christian zu Rantzau, der 1649 für 201 000 Reichstaler das Amt Rantzau mit einer Größe von 230 Quadratkilometern, den nördlichen Teil des heutigen Kreises Pinneberg, erwarb und ein Jahr später vom Kaiser zum Reichsgrafen ernannt wurde. Amtssitz des Grafen war das Schloss auf der Insel Rantzau. Der Graf war außer dem Kaiser niemandem unterstellt und konnte schalten und walten wie er wollte, berichtet Jessen.

Der Reichsgraf zu Rantzau war damals mächtig und wohlhabend

Barmstedt war damals ein recht bedeutender Ort, weiß Julius Röber, der die Rolle des ermordeten Reichsgrafen spielt. Inmitten von Wald und zahlreichen Mühlen gelegen, Hamburg und die Elbe in der Nähe, habe der Herrscher nach Lust und Laune Steuern erheben können. "Die Grafschaft zu Rantzau war reich. Das Gold war der Wald mit seinem Nutzholz."

Nach dem Tod seines Vaters Detlev übernahm 1697 Christian Detlev die Grafschaft im Alter von 27 Jahren. "Er war ein sehr unangenehmer Mensch", beschreibt Jessen den Mann. "Er war streitbar, herrsch- und vergnügungssüchtig." Seine Untertanen hatten nichts zu lachen. Er unterdrückte sein Volk, während er selber das von den Bauern, Handwerkern und Händlern erpresste Geld in vollen Händen aus dem Fenster warf, zum Beispiel beim Glücksspiel, bei Pferderennen und im Spielcasino. Oft feierte und prasste er in Hamburg und Berlin.

Seine homosexuelle Neigung wurde dem Grafen 1715 zum Verhängnis. Als Triebtäter war er in Berlin zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Er soll sich an einem Dienstboten vergangen haben. Die Amtsgeschäfte übernahm sein 18 Jahre jüngerer Bruder Wilhelm Adolf, dem Barmstedt den Bau der Heiligen-Geist-Kirche verdankt.

Als der ältere Bruder 1720 aus der Haft entlassen wurde, griff dieser wieder nach der Macht. Mit 50 Bewaffneten vertrieb er seinen Bruder, und die Schreckensherrschaft setzte sich fort - bis sein Leben an jenem Novembertag ein jähes Ende fand.

Bauern, Bruder oder Dänemark - die drei Theorien über die Auftraggeber

Drei Theorien gibt es über die Hintergründe dieses Attentats, berichtet Jessen. Einleuchtend scheint zu sein, dass die Bauern ihren despotischen Herrscher nicht mehr ertragen konnten und in dem Offizier Prätorius einen Mörder anheuerten. Der Täter wurde 1726 hingerichtet. Fest steht, so die Forschung, dass der Offizier den Grafen auf der Jagd erschoss, der nur von einem Diener begleitet worden war.

Auch dem Bruder wird ein Motiv nachgesagt. So soll Wilhelm Adolf Geld dafür geboten haben, wenn Christian Detlev länger in Haft geblieben wäre. Vielleicht wollte er auch auf diese Weise die Familienehre retten, mutmaßt Julius Röber über den möglichen Auftraggeber des Mörders seiner Schauspieler-Figur. Sogar der dänische König hatte ein handfestes Interesse an dem frühzeitigen Tod des Rantzauer Grafen, fiel doch die Grafschaft so automatisch an Dänemark. Dass der damalige Habsburger Kaiser Karl VI. seine Hand im Spiel gehabt habe, wie einige Verschwörungstheoretiker unter Hinweis auf einen kompromittierenden Briefwechsel Karls mit einer Geliebten glauben, gehört wohl ins Reich der Legenden.