Die Wedeler Pharmahersteller erwarten aufgrund der Gesundheitspolitik Umsatzrückgänge in Höhe von 270 Millionen Euro.

Wedel/Berlin. Die Gesundheitspolitik aus Berlin führt bei Wedeler Unternehmen zu Einnahmeausfällen von mehreren Hundert Millionen Euro - und als Konsequenz zu deutlichen Gewerbesteuerausfällen für die Stadt. Das berichteten die Geschäftsführer der Pharmahersteller "AstraZeneca" und "Alk Abelló" auf einer Podiumsdiskussion im Rathaus. Nach Angaben der Manager werden durch die Zwangsrabatte "AstraZeneca" mit rund 200 Millionen und "Alk" mit etwa 70 Millionen Mindereinnahmen bis 2013 zu rechnen haben. Bürgermeister Niels Schmidt mahnt: "Für den Haushalt 2011 lassen sich zwar derzeit keine brutalen Einbrüche ausmachen, aber alle Politiker sollten bedenken, dass sie kommen könnten."

"Alk-Abelló"-Chef Andreas Sander: "Klar ist, weniger Gewinn heißt weniger Forschung oder auch weniger schnelle Forschung." Geplante Erweiterungen in Wedel wird der Hersteller von Anti-Allergie-Medikamenten verschieben. Die regionalen Akteure sind sich einig in ihrer Enttäuschung über die Unzuverlässigkeit der Bundespolitik. "Eine Reform jagt die nächste. Da kann keine Planungssicherheit entstehen", sagt Schmidt. Gabriele Prahl, Managerin des 58 Ärzte starken Gesundheitsnetzes: "Da ist nichts verlässlich. Vor zwei Jahren wurde den Ärzten versprochen, Honorare seien sicher. Jetzt ist das Versprechen aufgehoben."

Chefs von Firmen und Institutionen klagen über unzuverlässige Politik

Thomas Wortmann, Landesgeschäftsführer der Barmer-GEK: "Da ist keine Sicherheit im System. 2011 beschäftigen wir uns mit der nächsten Reform." "Alk-Abelló"-Chef Sander: "Die Erhöhung der Zwangsrabatte von sechs auf 16 Prozent kam aus heiterem Himmel - es fehlt die strategische Planung." Otto Melchert, Geschäftsführer der Regio-Kliniken: "Es ist wieder nur ein Ausgabenbegrenzungsgesetz herausgekommen und keine Strukturreform."

Claus Runge, Mitglied der "AstraZeneca"-Geschäftsleitung, nannte ein teures Beispiel für unüberlegte Anweisungen aus Berlin: die Packungsgrößenverordnung. "Wir begrüßen das vom Prinzip her. Aber nach dem jetzigen Sachstand wird im November beschlossen, die einheitlichen Größen einzuführen, und schon im Januar soll das umgesetzt sein. Das bedeutet, dass wir etwa 80 Prozent unseres Lagerbestandes vernichten müssen." Um solche und andere Pannen der Bürokratie künftig möglichst zu vermeiden, eröffnet das Unternehmen heute ein Büro in Berlin. Runge: "Wir müssen näher an die Entscheider heran."

Eine weitere Enttäuschung beschrieb Regio-Chef Melchert. Die Regierung hatte zugesichert, die in den Bundesländern unterschiedlichen Grundpauschalen für Krankenhausleistungen anzupassen - derzeit bekommen Hamburger Einrichtungen für die gleiche Leistung mehr Geld als Kliniken in Schleswig-Holstein. Das sei eine Wettbewerbsverzerrung. Doch die Bundespolitik konnte sich nicht gegen die "Fürsten" der Länder durchsetzen. Melchert und Mitarbeitern steht weiterhin weniger Geld für die Betreuung eines Patienten zur Verfügung als der Konkurrenz jenseits der Landesgrenze.