Laut Landgericht wollte sich die Gemeinde bei einem Grundstücksverkauf ungerechtfertigt bereichern

Holm. Es geht um 33 700 Euro. Diese Summe muss die Gemeinde Holm einem ehemaligen Dorfbewohner zurückzahlen, nach dem sie in zwei Gerichtsinstanzen unterlegen war. Das Urteil ist mittlerweile rechtskräftig. Bei dem Streitfall ging es um einen mittlerweile zwei Jahre zurückliegenden Grundstücksverkauf, aus dem die Gemeinde finanzielle Ansprüche ableitete.

Grundstücke im Neubaugebiet wurden überwiegend Einheimischen angeboten

Sie hatte 2003 das Neubaugebiet Im Kamp ausgewiesen und die zwölf Baugrundstücke selbst vermarktet. Vorwiegend Einheimische sollten in den Genuss der Flächen kommen. Dazu zählte auch Lars Müller, der mit seiner Familie seit 1996 in Holm lebte. Er kaufte ein 964 Quadratmeter großes Baugrundstück zum Preis von 154 240 Euro. Pro Quadratmeter zahlte er 160 Euro. Nicht-Holmer mussten dagegen einen Quadratmeterpreis von 175 Euro zahlen.

"Solche Einheimischenmodelle gibt es in ganz Deutschland", erläutert Jurist Gerd Nedderhut, der Rechtsbeistand der Familie Müller. Er hält solche Regelungen allerdings für höchst fragwürdig. "Man kann die Leute nicht dauerhaft an einen Ort binden", sagt Nedderhut. Das sei quasi ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte.

Der versteckt sich in Paragraf 8 des Kaufvertrages. Dort verpflichteten sich die Müllers nicht nur, das erworbene Grundstück innerhalb einer bestimmten Frist zu bebauen. Sie sagten auch zu, dass fertiggestellte Gebäude selbst zu beziehen und mindestens zehn Jahre ununterbrochen zu bewohnen. Bei einem vorzeitigen Verkauf müssten 60 Euro je Quadratmeter an die Gemeinde abgeführt werden. Diese Frist kann laut Vertrag nur auf begründeten schriftlichen Antrag, etwa bei Wechsel des Arbeitsplatzes und damit verbundenem Ortswechsel, verkürzt werden.

Ende 2004 bezogen die Müllers ihr Haus. Bereits ein Jahr später beschloss Lars Müller, der in Prisdorf einen Chemikalienhandel betrieb, zur Sicherung seiner Firma zusätzlich ein Labor zur Erzeugung von Chemikalien zu eröffnen. Das war aufgrund der benötigten Infrastruktur inklusive Abfall- und Abwasserentsorgung nur an einem großen Chemiestandort wie Leverkusen oder Ludwigshafen möglich. Müller entschied sich für Leverkusen - und pendelte.

Weil keine Zeit für die Familie blieb, wurde schließlich Mitte 2007 ein Umzug zum Firmensitz und ein Verkauf der Holmer Immobilie beschlossen.

Der Antrag auf eine Fristverkürzung wurde von der Gemeinde abgelehnt

Er beantragte daraufhin, die Zehn-Jahres-Frist zu verkürzen. Das lehnte jedoch die Gemeindevertretung zweimal ab. Sie bot lediglich an, die im Kaufvertrag festgelegte Zahlung an die Gemeinde zu reduzieren. Statt 57 840 Euro solle Müller lediglich 33 700 Euro in die Gemeindekasse leiten, was einem Nachschlag pro Quadratmeter von 35 Euro entsprochen hätte. Müller verkaufte 2008 das Grundstück, zahlte die geforderten 33 700 Euro unter Vorbehalt und klagte auf Rückzahlung.

Arbeitsplatzwechsel ist ein Grund zur Fristverkürzung

Das Landgericht Itzehoe gab dem Ex-Einwohner Recht, sprach von "ungerechtfertigter Bereicherung durch die Gemeinde". Die ging in die Berufung - und scheiterte vor dem Oberverwaltungsgericht Schleswig erneut.

Die Richter kamen zu dem Schluss, dass der Arbeitsplatzwechsel Müllers einen wichtigen Grund laut Paragraf 8 des Kaufvertrages darstellte und die Gemeinde die Frist hätte verkürzen müssen.

Außerdem schaltete das Gericht einen Gutachter für Grundstückswerte ein, der herausfand, dass der von Müller gezahlte Quadratmeterpreis von 160 Euro für Holm ortsüblich gewesen sei. Eine Subventionierung durch die Gemeinde habe von Beginn an nicht stattgefunden - und auch daher bestehe kein Rückzahlungsanspruch.

"Wir sind von anderen Werten ausgegangen", kommentierte Holms Bürgermeister Walter Rißler das Urteil. Er ist überzeugt, dass in Holm ein deutlich höherer Quadratmeterpreis als 160 Euro für ein unbebautes Grundstück zu erzielen ist. Der behördlich festgelegte Richtwert, der alle zwei Jahre ermittelt wird und ein Mittelwert aller erfolgten Grundstücksverkäufe ist, liegt aktuell bei 165 Euro. "Wir haben den selber gedrückt", ist Rißler überzeugt. Seine Rechnung: So viele Baugrundstücke wechseln in dem kleinen Ort nicht den Besitzer - und wenn die Gemeinde die überwiegende Anzahl zu niedrigen Preisen verkauft, dann ist auch der Richtwert niedrig. Rißler: "Wir sind da reingefallen."

Nach der Niederlage verzichtet die Gemeinde auf eine Revision

Nach der Niederlage in der zweiten Instanz hat die Gemeinde auf eine abermalige Revision, diesmal beim Bundesgerichtshof, verzichtet. Als Verlierer muss Holm nun nicht nur den Betrag zurückzahlen, sondern auch die Anwalts- und Gerichtskosten übernehmen.

"Das hat viel Geld gekostet", kommentiert Rainer Jürgensen, Leitender Verwaltungsbeamte des Amtes Moorrege, zu dem Holm gehört. Jetzt müsse überlegt werden, wie im Amtsbereich künftig mit solchen Einheimischenmodellen umgegangen werden soll. Jürgensen: "Die Meinungsfindung dazu ist noch nicht abgeschlossen."