Holger Gieseler, Vorsitzender der Wirtschaftsgemeinschaft Pinneberg, spricht sich gegen eine “shared-space“-Lösung vor der Hochbrücke aus

Pinneberg. Seit dem Amtsantritt von Holger Gieseler, 51, Anwalt und Notar in der Sozietät Poppe und Partner, hat sich die Wirtschaftsgemeinschaft Pinneberg neben ihrer Rolle als Veranstalter großer Feste und Attraktionen als Interessenvertretung der Kaufleute und anderer Gewerbetreibenden weiter entwickelt. Auch die Innenstadtentwicklung wird kritisch begleitet. Viele Mitglieder der Wirtschaftsgemeinschaft sind enttäuscht, wie wenig sie bisher bei der Planung Gehör gefunden haben. Die eingeschalteten Fachgutachter hätten unnötigerweise Vorgaben erhalten, beispielsweise eine neue Mitte für Pinneberg zu kreieren, die dem von der Verwaltung öffentlich propagierten nach allen Seiten offenen Meinungsbildungsprozess entgegenläuft. Sowohl die Untere Dingstätte als auch der Fahltskamp würden zu Verlierern werden, wenn die heutigen Pläne umgesetzt werden. Im Gespräch mit der Pinneberger Zeitung erläuterte Holger Gieseler die Standpunkte der Wirtschaftsgemeinschaft.

Pinneberger Zeitung:

Pinneberg droht im Konzert der Mittelstädte im Kreis Pinneberg an Boden zu verlieren. Wie kann die Stadtvertretung aus Sicht der Wirtschaftsgemeinschaft gegensteuern?

Holger Gieseler:

Eine sehr weitgehende Frage, die weder einfach noch mit ein paar Sätzen zu beantworten ist. Wichtig ist, dass ineinander greifende Konzepte vorhanden sind beziehungsweise entwickelt werden, an denen man sich orientieren und mit denen man kontinuierlich arbeiten kann. Planloses Stückwerk und Aktionismus sind zu vermeiden.

Wie kann die Wirtschaftsgemeinschaft die Politik beziehungsweise Verwaltung unterstützen?

Gieseler:

Das kann man nur von Fall zu Fall beurteilen. Wir sind in dieser Hinsicht offen und stehen, soweit gewünscht, als Gesprächspartner zur Verfügung.

Was halten Sie als Chef der Wirtschaftsgemeinschaft von dem Vorschlag, die Friedrich-Ebert-Straße zu verlegen, damit einen größeren Marktplatz in der City zu schaffen und den alten Marktplatz an die Innenstadt zu binden beispielsweise durch die Einrichtung eines sogenannten Frequenzbringers wie Media-Markt oder/und H&M?

Gieseler:

Unterstellt, dieses wäre real umsetzbar, dann muss man sich darüber im Klaren sein, dass man damit nicht nur den östlichen und einen Teil des westlichen Bereichs der Fußgängerzone aufgibt. Wenn dieses, die so genannte "neue Stadt-Mitte", so gewollt wird, bitteschön, es handelt sich um eine politische Entscheidung.

Die Verwaltung hat bereits überzeugend dargelegt, dass eine mehrspurige Verschwenkung der Friedrich-Ebert-Straße mit einem nicht akzeptablen erheblichen Verlust an freien Flächen und unzumutbaren Beeinträchtigungen der Anwohner verbunden ist, ganz abgesehen von kaum lösbaren weiteren verkehrstechnischen Problemen und der fast leeren Stadtkasse, aus der eine teure Straßenbaumaßnahme mitfinanziert werden müsste.

Gieseler:

Richtig. Die Friedrich-Ebert-Strasse bleibt also grundsätzlich als nördliche Begrenzung der Innenstadt erhalten. Die Einrichtung einer "shared space" von der Bismarckstraße bis zum Kreuzungsbereich der Hochbrücke ist abwegig. Dieses hat im Ergebnis auch der von der Stadt beauftragte Verkehrsgutachter bestätigt.

Also kann auch das alte Sparkassengebäude nicht einbezogen werden?

Gieseler:

Doch. Es spricht nichts gegen eine intelligente Einbeziehung und Anbindung des alten Sparkassengeländes mit einem oder mehreren Kundenmagneten an die Innenstadt, kombiniert mit einer kundenfreundlichen und optisch annehmbaren Überwegung der Friedrich-Ebert-Straße. Zudem ist es sinnvoll, den Drosteiplatz und dessen Umfeld einschließlich Rathausvorplatz zu überplanen und so neu zu gestalten, dass nicht nur eine größere Veranstaltungsfläche geschaffen, sondern auch die Aufenthaltsqualität verbessert wird.

Dann muss auch der Sonnabend-Wochenmarkt als Frequenzbringer vor die Drostei. Ist das umsetzbar?

Gieseler:

Eigentlich dürfte es darüber keine große Debatte mehr geben. Aber die Verwaltung kuscht ja sofort, wenn Marktbeschicker gegen dieses Ansinnen aufbegehren. Der alte Marktplatz ist endlich zu sanieren, Parkflächen, die man auch als solche bezeichnen kann, sind ebenso herzustellen wie eine Anbindung an die Pinnau und eine direkte freundliche Zuwegung zur Innenstadt.

Also soll alles so bleiben, ohne Frequenzbringer, nur ein bisschen netter verpackt?

Gieseler:

So dürfen sie das nicht beurteilen. Die von ihnen genannten Frequenzbringer gehören bundesweit zu den Premium- Marktführern. Diese siedeln sich in Oberzentren oder Einkaufszentren mit guter Erreichbarkeit oder sichtbar in Autobahnnähe an. Kundenmagneten im Innenstadtbereich oder an deren unmittelbaren Rand beleben selbstverständlich die Innenstadt, da hier ein Kopplungspotenzial besteht. Ein Media-Markt oder H&M auf dem alten Marktplatz liegen nicht mehr in direkter Randlage zur Innenstadt, und der Weg ist unterbrochen durch eine Hauptverkehrsader. So können die Märkte nicht als Frequenzbringer der Innenstadt fungieren. Wir glauben nicht, dass dadurch Kundenströme in die City gelenkt werden, ebenso wenig dass nennenswerte Mitnahmeeffekte für den Innenstadthandel entstehen. Letzteren aber gilt es zu stärken, wenn man Leerstand vermeiden und die Attraktivität der Fußgängerzone steigern will.

Was soll dann aus dem Marktplatz werden? Gar nicht bebauen?

Gieseler:

Aus unserer Sicht besteht die Gefahr, dass auf dem Marktplatz ein Solitärstandort entsteht, in dessen unmittelbarer Nähe sich eventuell noch kleine Einzelhandelsgeschäfte ansiedeln, die Kunden aus der Fußgängerzone abziehen. Die Kunden würden nur den bebauten Markt aufsuchen, dort parken, sofern dann noch ausreichend Parkplätze vorhanden sind, und nach ihrem gezielten Einkauf eher nicht den Weg in die sich nicht direkt anschließende Fußgängerzone in Kauf nehmen. Die Folge: Der Verkehr würde sich um den Bereich alter Marktplatz noch mehr stauen, die Funktionsfähigkeit des Zentrums würde negativ beeinträchtigt werden.

Welche Rolle spielt bei der Planung der Druck aus Prisdorf, weitere kundenträchtige Geschäfte im Nachbarort rundum Marktkauf anzusiedeln? Sollte die Stadt diese Ansiedlung verhindern oder reguliert der freie Markt solche Großvorhaben?

Gieseler:

Die Stadt sollte alle Möglichkeiten ausschöpfen, um zu verhindern, dass eine Gemeinde mit etwa 2300 Einwohnern sich weiter auf Kosten Pinnebergs bereichert. Denn das Konzept rechnet sich unter anderem nur, wenn es gelingt, in erheblichem Umfange Kaufkraft aus Pinneberg abzuziehen.

Die Wirtschaftsgemeinschaft sagt mit Recht, dass die heutigen Gebäude der Kreisverwaltung ins Innenstadtkonzept eingebunden werden müssen. Was stellen Sie sich für eine Nutzung dort vor?

Gieseler:

Die Beantwortung dieser Frage sollte einem freien Planungswettbewerb überlassen werden, der meines Erachtens schon längst überfällig ist. Dieser wird bestimmt Ideen hervorbringen, auf die wir so gar nicht kommen würden. Die Stadt sollte nur nicht warten, bis der Kreis einen Investor mit konkreten Plänen präsentiert, denn dann ist es für eine nach allen Seiten offene Innenstadt-Entwicklungsplanung zu spät.

Pinneberg hat noch zwei große Entwicklungsgebiete: das Gelände der Eggerstedt-Kaserne und die Bans-Wiesen. Wie sollte die Stadt nach Ansicht der Wirtschaftsgemeinschaft die beiden Flächen überplanen?

Gieseler:

Die Wirtschaftgemeinschaft kann sich nicht mit jedem Thema intensiv befassen. Was das Kasernengelände angeht, gibt es ja einige vertretbare Vorschläge mit einem Mix aus Sport-Bildungs-Freizeit- Dienstleistungs- und Wohneinrichtungen. Aus unserer Sicht ist der Standort nur bedingt zu gewerblichen Zwecken geeignet. Die ersten Vorschläge zu einer Überplanung der Bans-Wiesen sind nach unserer Einschätzung in einem sehr frühen Stadium ad acta gelegt worden. Die Chance, alle Möglichkeiten zur Entwicklung des Gebietes auszuloten, scheint bisher nicht wirklich ergriffen worden zu sein. Grundsätzlich hat die Fläche Potenzial auch für eine gewerbliche Nutzung. Wenn eine Überplanung zu Wohnzwecken und/oder gewerblichen Zwecken am Ende zum Beispiel aus Gründen des Naturschutzes, der notwendigen Entwässerung des Gebietes oder zum Schutz der vorhandenen Wohngebiete vor Überflutungen nicht möglich ist, ist dieses selbstverständlich zu akzeptieren.