Ministerpräsident Peter Harry Carstensen spricht über Sparzwänge und Zukunftspläne

Kreis Pinneberg. Zwischen einem Betriebsbesuch in Quickborn und einem Wiedersehen mit dem Verein Frischlinge in Elmshorn, der ihm ans Herz gewachsen sei, stand Ministerpräsident Peter Harry Carstensen der Pinneberger Zeitung Rede und Antwort.

Pinneberger Zeitung:

Im Kreis Pinneberg besteht die Befürchtung, die Politiker in Kiel würden den Speckgürtel vernachlässigen. Stimmt das?

Peter Harry Carstensen:

Das ist großer Quatsch. Wenn Sie dazu Leute im Landesteil Schleswig fragen, würden die Ihnen sagen, das meiste Geld fließt in den Süden des Landes. Wir brauchen beides. Es macht keinen Sinn, die Regionen gegeneinander auszuspielen. Wir brauchen die gute wirtschaftliche Entwicklung im Speckgürtel, um die landesweiten Projekte finanzieren zu können.

Hätten wir nicht das Geld aus den Regionen mit großer Wirtschaftskraft, wie es die Kreise Pinneberg und Stormarn sind, könnten wir die strukturschwachen Regionen nicht so fördern. Wir brauchen diesen starken Wirtschaftsraum. Ich bin überzeugt davon, dass die A 20 einen gewaltigen Schub gerade für den Kreis Pinneberg bringen wird.

Was sind aus Ihrer Sicht die Stärken des Kreises Pinneberg?

Carstensen:

Da haben wir als erstes die Baumschulen und die Gartenbaubetriebe. Wenn wir in Deutschland auf den Kreis Pinneberg blicken, sieht man das größte Baumschulgebiet in Europa. Das ist eine Stärke. Eine weitere Stärke ist die Nachbarschaft zu Hamburg. Die kann man nicht wegdiskutieren. Ich bin mir mit Ole von Beust immer einig gewesen, dass wir zur Zusammenarbeit verpflichtet sind. Das wird mit seinem Nachfolger nicht anders sein. Eine moderne Landespolitik hört nicht an der Landesgrenze auf.

Ist das ein Plädoyer für den Nordstaat?

Carstensen:

Ich habe nie was gegen den Nordstaat gehabt. Aber das müssen die Bürger entscheiden. Und das muss dann auch eine breite Akzeptanz haben und darf keine Entscheidung auf der Kippe sein. Es pendeln täglich etwa 180 000 Menschen aus Schleswig-Holstein zur Arbeit nach Hamburg. In umgekehrter Richtung sind es auch 80 000 Pendler. Das wird oft vergessen. Einen Arbeitslosen interessiert es nicht, ob der Arbeitplatz in Hamburg oder im Kreis Pinneberg liegt. Hauptsache er findet Arbeit

Gibt es Hoffnung für die Menschen in Quickborn und Hasloh, dass sich der Fluglärm reduziert?

Carstensen:

Es ist richtig, dass die Landebahnen unterschiedlich genutzt werden. Es ist aber auch richtig, dass dort unterschiedlich viele Menschen wohnen. Aber man kann das Problem des Fluglärms nicht nur mit der Formel: Starts und Landungen mal Bevölkerung betrachten. Denn es ist ein Unterschied für den einzelnen Betroffenen, ob es weniger Belastung bei vielen, aber eine große Belastung bei wenigen Leuten gibt. Wenn der Flieger dreimal am Tag kommt, stört er weit weniger als wenn er zehnmal so oft zu hören ist. Ich habe mir vorgenommen, gleich bei meinem ersten Gespräch mit Hamburgs neuem Ersten Bürgermeister dieses Thema anzusprechen.

War es nötig, das beitragsfreie Kindergartenjahr wieder zu kassieren?

Carstensen:

Das musste sein. Das sind 35 Millionen Euro. Wir haben uns das Ziel gesetzt, jedes Jahr 125 Millionen Euro im Haushalt einzusparen. Es war aber das erste Mal, dass wir ein Gesetz, bei dem wir merkten, dass wir es nicht mehr finanzieren können, wieder zurückgenommen haben. Aber ein Gesetz in guten Jahren wirkt auch noch in schlechten. Wir haben auch sehr undifferenziert gefördert. Etwa 30 Prozent der Kinder bekommen Hilfen aus der Sozialstaffel, 70 Prozent nicht. Wir haben also auch sehr viele Kinder gefördert, deren Eltern eigentlich keine staatliche Hilfe brauchten.

Die Schulpolitik ist sehr umstritten. Das hat sich mit dem Bildungsminister Ekkehard Klug noch verschlimmert. Hätten Sie das erwartet?

Carstensen:

Nein, damit habe ich nicht gerechnet. Ich hoffe, dass sich diese Irritationen schnell wieder auflösen. Wir brauchen keine Diskussion um die Schulpolitik, sondern wir brauchen eine Verbesserung in den Schulen. Die Integration der Hauptschulen zu Regional- und Gemeinschaftsschulen war notwendig aufgrund der demografischen Entwicklung. Vor 15 Jahren hatten wir noch 29 000 Geburten in Schleswig-Holstein, heute sind es weniger als 23 000. Das hat Auswirkungen auf die Schulstandorte.

Wird die Fachhochschule Wedel bluten müssen?

Carstensen:

Wir haben dort die Zuschüsse in diesem Jahr um zehn Prozent auf zwei Millionen Euro gekürzt. Keine Frage, die Fachhochschule Wedel ist spitzenmäßig. Aber wir haben in den letzten Jahren die Landeszuschüsse gesteigert, während die Beiträge der Studenten gleich geblieben sind. Außerdem gibt es im Kreis Pinneberg noch zwei andere private Hochschulen wie die Nordakademie und die AKAD, die beide ohne staatliche Förderung auskommen. Aber wir stehen in engem Kontakt mit Prof. Harms, der auch gute Vorschläge gemacht hat, wie das Problem zukünftig besser zu lösen ist.

In Mecklenburg-Vorpommern wird die Zahl der Landkreise auf sechs halbiert? Wäre eine Kreisgebietsreform nicht auch in Schleswig-Holstein überfällig?

Carstensen:

Wenn die Kommunen und Kreise sich zusammenschließen wollen, können sie es tun. Sie können auch heute schon enger zusammenarbeiten. Die Diskussion um Kooperationen ist in vollem Gange. Aber eine Kreisgebietsreform von oben verordnet bringt nur Widerstand. Außerdem entlastet sie weniger die Landeskasse als die der Kommunen.

Ist das System noch zeitgemäß? Brauchen wir die Kreise überhaupt noch?

Carstensen:

Das ist mal aus politischem Willen so eingeführt worden. Und ich halte nach wie vor viel davon. Die fachlichen Belange müssen irgendwo abgeprüft werden. Was wäre denn die Alternative? 50 Ämter, die jeweils für etwa 50 000 bis 60 000Bürger zuständig sind? Das kann doch keine Lösung sein. Die Kreise können jetzt schon Kosten sparend arbeiten, wie es der Kreis Rendsburg-Eckernförde vormacht. Das funktioniert bereits bei den Katasterämtern. Wir brauchen nicht in jedem Kreis behördliche Vermesser.

Macht Ihnen das Regieren überhaupt noch Spaß?

Carstensen:

Was heißt Spaß? Das hat etwas mit Verantwortung zu tun. Aber es ist toll, erfolgreiche Betriebe zu besuchen und mit Menschen zu sprechen, die sich ehrenamtlich engagieren. Aber es macht natürlich mehr Spaß, mit dem Füllhorn durchs Land zu gehen. Aber das hätte zurzeit nichts mehr mit Verantwortung für das Land zu tun.

Als aussichtsreicher Nachfolger gilt Christian von Boetticher. Wäre der CDU-Fraktionschef aus Pinneberg ein geeigneter Nachfolger für Sie?

Carstensen:

Mit Sicherheit ist er das, wie einige andere auch. Christian von Boetticher hat gezeigt, dass er dafür geeignet ist. Er war ein ausgesprochen guter Umweltminister, der gezeigt hat, dass er sein Ministerium führen kann. Er ist in der Politik auf vielen Ebenen tätig und arbeitet gut im Landtag. Ich halte sehr viel von ihm. Er ist auch jemand, der ohne Politik leben könnte. Er hat sich diese Unabhängigkeit bewahrt. Es ist ein Geschenk, über seine Zukunft selbst bestimmen zu können.