Billiganbieter stehen unter Druck: Betriebe müssen ihren Mitarbeitern mehr Geld zahlen. Innung pocht auf verbindliche Tariflöhne.

Kreis Pinneberg. An schönem Kopfputz dürfte es in Pinneberg eigentlich niemandem mangeln: Allein in der Fußgängerzone bieten elf Friseursalons ihre Dienste an. In Wedel sieht es nicht anders aus. Entlang der Bahnhofsstraße können die Kunden gleich unter zehn Friseuren wählen. Doch das gefällt nicht jedem. Ausgerechnet die Friseure selbst kritisieren, dass es zu viele von ihnen gibt. "Gesund wäre eine Struktur, bei der wir die Hälfte der Geschäfte hätten", sagt Karina Essig-Nielsen, Obermeisterin der Friseur-Innung für die Kreise Pinneberg und Steinburg.

Der Zentralverband Deutsches Friseurhandwerk rechnet vor, dass auf jedes Geschäft 1000 bis 1200 Einwohner kommen müssen, damit die Betriebe lebensfähig seien. Die erfahrene Friseurmeisterin Essig-Nielsen, die in Wedel zwei Salons betreibt, geht noch weiter: "Jeder Laden braucht mindestens 1000 feste Kunden in seiner Kartei." Das aber würde für die 32 000-Einwohner-Stadt Wedel, in der es mehr als 35 Friseure gibt, bedeuten, dass es mindestens 35 000 Menschen geben müsste, die dort regelmäßig zum Friseur gehen.

Die in Wedel und Pinneberg offenkundig zu große Konkurrenz ruiniert der Branche das Geschäft. Billiganbieter und Friseurketten haben einen Preiskampf entfacht, der zu Lasten alteingesessener Betriebe geht. In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Friseurgeschäfte bundesweit um mehr als 15 Prozent auf fast 78 000 Betriebe angestiegen. Klein- und Kleinstbetriebe sowie Ketten haben Zuwachs.Traditionsreichere, mittelgroße Läden werden weniger.

+++Tastenkönige wirbeln in der Wedeler Bootshalle+++

Viele Kunden lassen sich von der Geiz-ist-geil-Mentalität leiten. "Ein Haarschnitt für zehn Euro - das kann sich für den Friseur einfach nicht rechnen", sagt Karina Essig-Nielsen. "Eine gut gemachte Dauerwelle, bei der ich Markenprodukte benutze, kann ich nicht für 25 Euro anbieten."

Offerieren können bestimmte Anbieter solche Kampfpreise nach Meinung der Obermeisterin nur deshalb, weil sie ihre Mitarbeiterinnen mit Hungerlöhnen abspeisen. Mit dieser Preisdrückerei bei den Löhnen aber ist es im Kreis Pinneberg vorbei, zumindest offiziell. "Wir haben seit dem 1. Mai in Schleswig-Holstein einen verbindlichen Tarifvertrag", so Karina Essig-Nielsen. Und der gelte nicht nur für die 66 Betriebe, die in der Innung Pinneberg/Steinburg zusammengeschlossen sind, sondern für jedes Friseurgeschäft.

Andernorts ist das noch längst nicht Standard. "In Leipzig sollen ausgelernte Friseurinnen für drei Euro pro Stunde arbeiten. Das ist eine Sauerei", sagt die hiesige Obermeisterin. Sie sagt, sie wolle die Mädels aufrütteln: "Dann werden sich viele Friseurinnen, die bei Geschäften arbeiten, deren Preise sehr niedrig angesetzt sind, hoffentlich anders orientieren."

Betrieben, die sich nicht an die Tariflöhne halten, droht ein Besuch vom Zoll. "Hier im Kreis Pinneberg wird schon kontrolliert", sagt Karina Essig-Nielsen. Nach ihren Worten kommt auf Läden, die Dumping-Löhne zahlen, eine saftige Nachzahlung zu.

Am vergangenen Sonnabend wurden im Pinneberger Hotel Cap Polonio 15 junge Frauen und Männer freigesprochen, die soeben ihre Ausbildung erfolgreich beendet und die Gesellenprüfung geschafft haben. Die künftigen Junggesellen bekommen dank des neuen Tarifvertrags fortan einen Stundenlohn von 7,51 Euro. Das bedeutet eine Erhöhung von 51 Cent. Gesellen, die bereits Erfahrung haben und überwiegend selbstständig arbeiten, bekommen 8,70 Euro. Wer die Meisterprüfung geschafft hat, dessen Stundenlohn beträgt nun mindestens zehn Euro (vorher 9,50 Euro). Hinzu kommt das Trinkgeld. Manche Betreiber beteiligen ihre Mitarbeiter zudem am Umsatz.

Karina Essig-Nielsen sagt, sie sei froh über die neue Regelung: "Es darf nicht angehen, dass eine ausgelernte Friseurin von der Hand in den Mund lebt oder nur über die Runden kommt, wenn sie noch staatliche Hilfe bekommt. Als Friseurin muss ich in der Lage sein, mit meinem Lohn den Lebensunterhalt zu bestreiten." Das Preis-Leistungs-Verhältnis müsse für die Kunden, aber auch für die Geschäfte stimmen. "Es gibt viele Läden, in denen arbeiten keine Friseure mehr, sondern nur Angelernte. Da stehen mir doch die Haare zu Berge."

Die Innung hofft, dass sich der Markt bereinigt. "Wenn die billigeren Anbieter jetzt ihre Preise erhöhen müssen, weil sie höhere Löhne zahlen müssen, orientieren sich viele Kunden bestimmt um", sagt Karina Essig-Nielsen. Nach Beobachtungen des Abendblatts scheinen einige Geschäftsbetreiber tatsächlich die Segel zu streichen. In mehreren Salons in der Pinneberger Innenstadt sind tagelang weder Mitarbeiter noch Kunden zu sehen.

Uwe Zimmermann, der zu den alteingessenen Friseurmeistern in Pinneberg gehört und mehrere Salons in der Kreisstadt betreibt, glaubt, dass sich angesichts der wachsenden Konkurrenz vor allem der Druck auf die Mitarbeiter bei den besonders günstigen Anbietern erhöht. Deshalb sei die personelle Fluktuation bei diesen Geschäften hoch. "Viele Kunden gehen gezielt zu ihrem Friseur. Bei uns sind Mitarbeiterinnen teilweise seit Jahrzehnten dabei", sagt Zimmermann. Die Friseurketten hätten ihren Geschäftssitz nicht vor Ort, zahlten also in Pinneberg auch keine Gewerbesteuer. Uwe Zimmermann hat zudem beobachtet, dass auch bei den sogenannten Billiganbietern die Preise anziehen: "Erst wurde alles für zehn Euro angeboten, jetzt sind es 13 Euro."

Aber was sagen die Billiganbieter? Hana Kusari, 33, ist Filialleiterin bei XL Cut an der Lindenstraße in der Pinneberger Innenstadt. "Wir sind günstiger, aber trotzdem wird bei uns niemand im Akkord abgearbeitet, trotzdem haben wir ein familiäres Verhältnis zu den Kunden", sagt die Friseurin, die früher in einem kleinen Salon gearbeitet hat. Auch bei XL Cut werde mit Qualitätsprodukten gearbeitet. Hana Kusari widerspricht vor allem der These, die Mitarbeiterinnen würden schlecht bezahlt: "Ganz ehrlich, das stimmt nicht. Wir werden übertariflich bezahlt. Ich weiß, wie viel Kolleginnen woanders bekommen. Hier wird mehr verdient. Hier gilt das Motto: Die Masse macht's. Unsere Kunden wissen, dass sie nie lange warten müssen, egal wie voll es ist."

Die 33-Jährige gibt allerdings zu, dass von ihr und ihren acht Kolleginnen einiges gefordert werde: "Wir müssen uns ein bisschen mehr anstrengen als in anderen Geschäften. Wir müssen im Stress professionell sein und die Nerven im Griff haben. Aber ich schneide hier doch nicht anders die Haare als in einem kleineren Salon."