Harald Lill hat in seinem Heimatdorf Klein Offenseth-Sparrieshoop als Schiedsmann gut zu tun. Seit 1991 hilft der heute 73-Jährige Streithähnen.

Klein Offenseth-Sparrieshoop. Harald Lill sagt von sich, er habe ein Helfersyndrom. Seit 1991 hilft der heute 73-Jährige Streithähnen. Er ist in seinem Heimatort als Schiedsmann aktiv - und dort bekannt wie ein bunter Hund. Vielleicht sogar bekannter als Bürgermeisterin Petra Gebhardt.

2900 Einwohner hat Klein Offenseth. Da liegt die Vermutung nahe, dass es für Harald Lill nicht viel zu tun gibt. Aber weit gefehlt: "Es sind mehr als 30 Fälle im Jahr, die mich beschäftigen", sagt Lill. Die meisten bezeichnet der 73-Jährige als "Tür- und Angel-Fälle". Ein Klein-Offensether beklagt sich über das Verhalten seines Nachbarn. Mit dem spricht Lill - entweder persönlich oder per Telefon. Auf diese Weise wird schnell der nachbarschaftliche Frieden wieder hergestellt.

"Früher haben die Leute das selbst geschafft. Heute wird zu wenig miteinander geredet", sagt Lill. Und so darf (oder muss) Lill vermitteln. Etwa wenn Nachbars Hund den ganzen Tag bellt. Oder wenn sich Pflanzen oder Bäume einfach nicht an die Grundstücksgrenzen halten wollen und sich ungehindert ausbreiten. "Das sind die Klassiker", sagt der 73-Jährige. Mit Tieren hat er häufiger zu tun. Etwa mit der gefräßigen Katze, die einst den Vogel der Nachbarn verspeiste. Doch manchmal wird es noch unappetitlicher - etwa wenn der Komposthaufen an der Grundstücksgrenze dem Nachbarn stinkt.

Wenn nicht auf schnellem Wege geholfen werden kann, leitet Lill nach einem schriftlichen Antrag ein förmliches Verfahren ein und bestellt beide Streithähne zu sich ein. "Viele denken, das ist wie im Gericht. Aber tatsächlich ist das gar nicht vergleichbar", sagt der Schiedsmann. Wenn Lill Frieden stiftet, findet die Verhandlung in seinem Wohnzimmer statt. Bis zu zwei Stunden dauert eine Sitzung, zu der beide Parteien einen Beistand mitbringen können. "Manchmal sind auch noch weitere Termine vonnöten", sagt Lill. Wenn alles gut geht, steht am Ende eine schriftliche Vereinbarung, die von beiden Seiten unterzeichnet wird. Sollte sich aus der Vereinbarung auch eine finanzielle Wiedergutmachung ergeben, kann dieser Betrag im Fall des Falles auch vollstreckt werden. Der geschlossene Vergleich ist 30 Jahre gültig und hat dieselbe Wirkung wie ein Gerichtsurteil.

Lill hatte einst in Hamburg am Amtsgericht Altona gearbeitet. "Das hat mich für den Job als Schiedsmann prädestiniert", sagt er. So sei der damalige Bürgermeister auf ihn zugekommen und habe gesagt, "du arbeitest doch beim Gericht, da kannst du das ja machen". Es folgten intensive Schulungen und Einführungslehrgänge - auch mit Unterstützung von Berufsrichtern.

Ihnen nehmen Schiedsleute nicht unerheblich Arbeit ab. "Schlichten statt richten" heißt es seit 2002, als Schleswig-Holstein das Landesschlichtungsgesetz geändert hat. Seitdem hat bei bestimmten zivilrechtlichen Streitigkeiten zwingend ein vorgerichtliches Schlichtungsverfahren zu erfolgen. Erst wenn dieses erfolglos geblieben ist, kann der Weg zum Gericht erfolgen. Alle Fälle von Nachbarschaftsstreitigkeiten müssen erst in ein Schiedsverfahren, ehe geklagt werden kann.

Lill arbeitet als Schiedsmann ehrenamtlich, ihm werden lediglich eventuelle Fahrt- und Sachkosten ersetzt. Die Amtszeit eines Schiedsmanns beträgt jeweils fünf Jahre, seine Wahl nimmt die Gemeindevertretung vor.

Der 73-Jährige ist auch Vorstandsmitglied der Bezirksvereinigung Itzehoe im Bund deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen. Durch seine langjährige Vorstandstätigkeit ist er inzwischen landesweit bekannt und steht vielen neuen Kollegen mit Rat und Tat zur Seite. Die Kontakte erfolgen per Mail oder per Telefon. "Ich helfe den Leuten immer gerne", sagt der Klein-Offensether - und verweist wieder auf sein Helfersyndrom.