Sechs Direktkandidaten stritten bei der Diskussionsrunde zur Landtagswahl über Kinderbetreuung und Schulkonzepte.

Schenefeld. Für Thomas Hooge war es das erste Mal. Das erste Mal auf einem Podium, die erste Debatte mit politischen Gegnern. Das erste Mal musste er sich kritischen Fragen von Bürgern stellen. "Wir brauchen halt noch ein wenig Zeit", sagte der Direktkandidat der Piratenpartei im Wahlkreis Pinneberg am Mittwochabend. Zufrieden war er nicht mit seinem Auftritt bei der ersten Abendblatt-Diskussionsrunde der Landtagskandidaten vor der Wahl zu einem neuen Parlament in Kiel. Als Technik-Pirat habe er sich nicht in die Diskussionen zu den Themen frühkindliche Bildung, Schule und Senioren einbringen können.

Am Ende der etwa zweistündigen Politiker-Diskussion war es im Schenefelder Jugend- und Kommunikationszentrum (Juks) wie im wirklichen Leben: manchmal erhellend, manchmal ernüchternd. "Das ist unser Anliegen, die Politik und die Menschen zusammenbringen und einen Dialog zu ermöglichen", sagte Claudia Eicke-Diekmann, Redaktionsleiterin der Regionalsausgabe Pinneberg des Abendblatts. Bei der einzigen öffentlichen und direkten Konfrontation der Wahlbewerber untereinander und mit den Bürger wollten die sechs Bewerber der Parteien beim komplexen Thema frühkindliche Bildung, Erziehung und Senioren punkten, verloren sich zu Beginn manchmal zu sehr in Details. Die engagierte Diskussion begann mit einem Plädoyer von Christine Scholz, Fachbereichsleiterin der Awo Pinneberg für Kinderbetreuung. Das Fazit der Expertin zur Situation in den Kindertagesstätten: jede Menge Reformbedarf. Zum Beispiel bei der gesetzlichen Betreuungsquote im Krippenbereich, die viele Träger über Gebühr belaste. Auch die Qualität der Erzieherinnenausbildung lasse zu wünschen übrig, man brauche mehr multiprofesionelle Teams und mehr Anerkennung des Berufs durch bessere Bezahlung und Gleichstellung mit Grundschullehrern.

CDU-Kandidatin Natalina Boenigk wies die Kritik der Expertin teilweise zurück: "Über den Weg der besseren Bezahlung den Mangel von männlichen Erziehern zu bewältigen, halte ich für den falsche Ansatz", sagte sie. Grundschullehrer würden gut bezahlt. "Trotzdem bewerben sich hier deutlich mehr Frauen als Männer" Der Forderung nach einer besseren Bezahlung konnte sie nachvollziehen, verwies aber auf die leeren Kassen des Landes: "Wer soll das bezahlen?"

"Die Gesellschaft profitiert von einer guten Förderung der Kinder im Kita-Alter", antwortete Reinhard Eggers-Frie, Kandidat der Linken. Die Finanzierung sei eine Frage der Umverteilung. "Hier im Raum sitzen schließlich genug Millionäre", rief Eggers-Frie ins Publikum. "Das ist jetzt aber Populismus", konterte Natalina Boenigk. Die Kandidaten diskutierten auch über den Sinn einer kostenlosten Kita-Betreuung. Während der SPD-Kandidat Kai Vogel für Schleswig-Holstein kurzfristig ein beitragsfreies Kitajahr anstrebt, fordert Ines Strehlau, Landtagskandidatin von Bündnis90/Die Grünen, eine Sozialstaffelung. "Nur langfristig befürworten wir die Beitragsfreiheit. Zuerst müssen wir in die Qualität investieren", sagt Strehlau. Die Forderung des FDP-Kandidaten Olaf Klampe, Kindergärten vor allem in sozialen Brennpunkten zu bauen, quittierte das Publikum mit einem Raunen. Leidenschaftlich debattierten die sechs Politiker über das Erziehungsgeld. Kai Vogel, SPD, positionierte sich zur sogenannten Herdprämie deutlich. "Wir wollen, dass alle Kinder in die Kita gehen." Hier solle man das Geld investieren - nicht für die Kinderbetreuung zu Hause.

+++ Podiumsdiskussion: Schulen kommen auf den Prüfstand +++

Kontrovers ging es in der zweiten Runde zum Thema Schule zu. Ilka Gohla vom Schulelternbeirat der Grund- und Gemeinschaftsschule Pinneberg forderte mehr Wertschätzung für Lehrer, mehr Zeit für die gemeinsame Entwicklung von Kindern und plädierte für das Konzept der Gemeinschaftsschule. CDU-Frau Natalina Boenigk reagierte prompt und sprach sich für die Wahlfreiheit der Eltern aus. "Eltern und Lehrer vor Ort kennen ihre Bedürfnisse und die ihrer Kinder am besten. Lassen wir ihnen doch die Wahl, ob sie eine Gemeinschaftsschule wollen oder nicht." Ähnlich sieht es Olaf Klampe von der FDP. "Wir wollen den Schulen die Freiheit geben, zu entscheiden". Er plädierte für Investitionen in die Unterrichtsqualität. Sozialdemokrat Vogel hingegen hält die Gemeinschaftschule für das Zukunftsmodell.

Hier meldete sich Piratenkandidat Hooge zu Wort. "Ich will nicht eine Schulreform nach der anderen. Ins System muss einmal Ruhe einkehren." In der dritten Diskussionsrunde ging es um das Thema Senioren. Claus Dieter Westphal, Vorsitzender des Seniorenbeirates in Pinneberg, sprach alle Kandidaten an: "Vergessen Sie die Senioren nicht". Altersgerechtes Wohnen sei das wichtigste Thema für ältere Menschen. "Was ist mit Altersarmut, was mit Mehrgenerationenkonzepten?"

Wirkliche Antworten konnten die Kandidaten hier nicht geben, auch mit dem Hinweis auf die Einflussmöglichkeiten der Landespolitik. "Das sind Themen, die auf Bundesebene diskutiert werden müssen", sagte Natalina Boenigk. Piraten-Kandidat Hooge und Reinhard Eggers-Frie (Die Linke) forderten ein bedingungsloses Grundeinkommen, um Altersarmut zu verhinden. Das Publikum überzeugten sie damit nicht. In der Abstimmung erhielten sie je eine Stimme.

Die kommenden Termine der öffentlichen Abendblatt-Wahldiskussionen: 3. April in Elmshorn: In der Nordakademie in der Köllner Chaussee 11 diskutieren Politiker um 19 Uhr zum Thema Fachkräftemangel in Unternehmen Regionale Wirtschaft, Finanzlage 19. April in Wedel: Im Schulauer Fährhaus an der Parnaßstraße 29 geht es um 19 Uhr um die Energiewende, Elbvertiefung und Tourismus 25. April in Barmstedt: In der Jugendbildungsstätte des Kreisjugendrings, Düsterlohe 5, diskutieren die Kandidaten um 19.30 Uhr über soziale Netzwerke, Jugendkriminalität, Fluch und Segen der Technik