Politiker wollen Konsolidierungshilfe des Landes. Kritiker sehen die Bücherei, das Museum, das Schwimmbad und die Musikschule bedroht.

Pinneberg. Operation gelungen, Patient verstorben? Nachdem die Ratsversammlung der Stadt Pinneberg jetzt mit großer Mehrheit der Absichtserklärung zugestimmt hat, unter den finanziellen Rettungsschirm des Landes Schleswig-Holstein zu schlüpfen, warnen Kritiker davor, die Stadt könne sich zu Tode retten lassen. "Das würde der Stadt total schaden, ihr kulturelles Image zerstören", sagt Winfried Richter, Leiter der Pinneberger Musikschule, zur Vision einer Stadt ohne Bücherei, Museum, Volkshochschule und Schwimmbad. Genau diesen Einrichtungen könnte die Schließung drohen.

Stimmt die hoch verschuldete Stadt dem öffentlich-rechtlichen Vertrag über die Haushaltskonsolidierung mit dem Land im Herbst endgültig zu, bekäme Pinneberg nach jetziger Rechnung im laufenden Jahr 3,4 Millionen plus weitere Hilfen in ähnlicher Größenordnung in den Folgejahren. Im Gegenzug verpflichtet sich Pinneberg, bis 2022 sein sogenanntes strukturelles Defizit um 6,8 Millionen Euro zu verringern. Während der Debatten um das Für und Wider des Rettungsschirms hatten Stadtpolitiker immer wieder betont, solch massive Einsparungen seien nur möglich, wenn man sich bei den freiwilligen Leistungen die großen Brocken oder auch "heiligen Kühe" vornehme. Und dazu zählen Musikschule, VHS Stadtbücherei und Schwimmbad.

Die Musikschule zum Beispiel bekommt, vertraglich bis 2014 zugesichert, 174 000 Euro Zuschuss per annum. Leiter Winfried Richter warnt davor, dass man ohne die Zuschüsse keine Sozialtarife für Kinder aus ärmeren Familien mehr anbieten könnte.

Damit werde dieser Gruppe der Zugang zu kultureller Bildung versperrt. "Die sogenannten weichen Standortfaktoren sind mittlerweile harte", sagt Richter. Im Wettstreit um den Zugang von Neubürgern und auch Betrieben sei eine Stadt ohne kulturelle Einrichtungen unattraktiver. "Wenn das alles so kommt, habe ich weniger Angst um meine Musikschule als um Pinneberg."

"Man macht es sich zu einfach, beim Sparen nur auf die freiwilligen Leistungen zu gucken", sagte Wolfgang J. Dommeyer, Leiter der Volkshochschule. Die VHS bekommt jährlich 294 000 Euro von der Stadt. "Ich wünsche mir, dass alle Ausgaben der Stadt ehrlich und analytisch auf den Prüfstand gestellt werden", sagt der VHS-Leiter. "Seit ich hier 1995 angefangen habe, wird immer wieder über die mögliche Schließung des Museums diskutiert", sagte Ina Duggen als Leiterin des Stadtmuseums, "natürlich fühle ich mich dabei nicht so wohl."

+++ Auch Uetersen will unter den Rettungsschirm +++

"Was die größten Brocken beim Defizit sind, ist schnell zu identifizieren", sagt Henning Fuchs, Direktor der Pinneberger Stadtwerke. "Das Schwimmbad ist der wohl größte Brocken." Rund eine Millionen Euro Verlust macht die Einrichtung an der Burmeisterallee. "Es ist traurig, dass eine Stadt derart am Boden ist, dass sie sich solche Fragen stellen muss", sagt Fuchs.

SPD-Politiker Dieter Tietz hatte vor kurzem im Finanzausschuss gewarnt, dass es passieren könne, nach einem jahrelangen Kraftakt einen ausgeglichenen Haushalt, aber auch "eine tote Stadt" zu haben. Dennoch schwenkte die SPD um und stimmte im Rat der Absichtserklärung in Sachen Rettungsschirm zu. "Die freiwilligen Leitungen werden auf jeden Fall massiv gekürzt werden", sagte Genossin Helga Kock. "Wir sehen das Gesetz als eine Hilfe an, nicht als Instrument aus der Folterkammer", sagte CDU-Fraktionschef Michael Lorenz. "Der Zwang ist nötig. Wir sehen nicht, dass wir es ohne fremde Hilfe schaffen." Auch Joachim Dreher, GAL & Unabhängige, kündigte an: "Es wird einschneidende Maßnahmen geben. Es gibt keine Tabus."

Unabhängigkeit von einer möglichen Schließung von Schwimmbad und anderen Einrichtungen, werden die Pinneberge unmittelbar zu spüren bekommen, dass sie gerettet werden. Zu den Bedingungen des Landes gehört, dass die Steuern angehoben werden. So müssten die Grundstücksbesitzer in der Kreisstadt künftig durchschnittlich rund 30 Euro pro Jahr mehr zahlen. Außer der Grundsteuer, werden dann auch Hunde- und Vergnügungssteuer - und auch die bereits vergleichsweise hohe Gewerbesteuer erhöht. Besonders dagegen wetterte Uwe Lange, Fraktionschef der Bürgernahen, während der Ratssitzung: "Wenn wir die Gewerbesteuer weiter erhöhen, müssen wir uns keine Gedanken mehr machen, ob Firmen kommen, sondern darüber, dass weitere abwandern." Den Bürgern weitere Belastungen aufzudrücken, sei unanständig, so Lange. "Den Letzten beißen die Hunde - die Bürger unserer Stadt."