Das Ensemble der Pinneberger Musical Company überzeugt mit seiner Umsetzung des Jugenddramas “Frühlings Erwachen“

Pinneberg. Das Stück hat das Zeug zum Skandal. Das allerdings schon seit mehr als 120 Jahren. "Frühlings Erwachen", das noch bis Sonnabend, 24. März, von der Pinneberger Musical Company in der Kreisstadt aufgeführt wird, basiert auf dem gleichnamigen Drama von Frank Wedekind. Seine Gesellschaftskritik aus dem Jahr 1891, uraufgeführt 1906 in Berlin, wurde im Deutschland der Kaiserzeit wegen seiner sexuellen Anstößigkeit verboten. Der Musical Company gelingt es eindrucksvoll, die ganze Wucht des Stückes zu entfalten, ohne dabei die Grenzen des guten Publikumsgeschmacks im 21. Jahrhundert zu überschreiten.

So war es auch die Intention von Regisseur Arnfried Oprotkowitz, der im Programmheft schreibt: "Es gibt verschiedene Szenen, die unsere Moralvorstellung über das, was gezeigt werden darf, mal mehr, mal weniger testen. Ich habe eine stark abgeschwächte Variante umgesetzt, in der Hoffnung, dass die Aussage des Stückes beim Publikum ankommt, ohne ihm die Schamesröte ins Gesicht oder es aus dem Saal zu treiben."

+++ Pinnebergs Musical Company lässt den Frühling erwachen +++

Zumindest entfährt einer älteren Dame in der ersten Reihe ein empörtes Zischen, als der Chor der Schuljungen in historischen Kostümen zum ersten Mal lauthals "So'n verficktes Leben" anstimmt und dazu mit den Füßen stampft. Zu sehen, aber eben nicht wirklich zu sehen, ist auch, wie ein Junge sich unter dem Nachthemd selbst befriedigt.

Die Musik zu "Frühlings Erwachen", das zum Ende des 19. Jahrhunderts spielt, stammt von Duncan Sheik, der zusammen mit Steven Sater 2006 in den USA den Stoff von Wedekind als Rockmusical ("Spring Awakening") umarbeitete. Die Live-Band der Musical Company, durch einen durchscheinenden Vorhang von der Bühne getrennt, versteht es perfekt, sowohl romantische Balladen wie rockige Protestsongs zu intonieren.

Das Bühnenbild ist minimalistisch, die Lichteffekte ausgeklügelt - und das Spiel des von den jungen Darstellern, die die Gesangsrollen haben, getragenen Ensembles beeindruckend. Allen voran Corinna Blatter als Wendla, deren Spiel und Gesang herausragt. Die Schauspielerin bietet eine faszinierende Mischung zwischen kindlicher Naivität pubertärer sexueller Verwirrtheit. "Was gibt es Schöneres als eine Geschichte zu erzählen, in der wir Sie, die Menschen da draußen, zum Nachdenken und Mitfühlen verleiten können", sagte die Darstellerin über ihren Antrieb.

Zu den großen jungen Stimmen, die sich über ein öffentliches Casting für "Frühlings Erwachen" in Pinneberg zusammen gefunden haben, gehört auch Bernadett Jans als Ilse. Es zählt sicher zu den beeindruckendsten Szenen von "Frühlings Erwachen", wenn Ilse im Nachthemd davon singt, wie ihr Vater sie missbraucht, während Darsteller Günter Heitmann sie als lüsterner Täter begrapscht.

Missbrauch, Homosexualität, Aufbegehren gegen verstaubte Normen, unverblümte sexuelle Fantasien, Pädagogik mit dem Rohrstock bis hin zur tödlich endenden Abtreibung und zum Suizid - es ist alles andere als leichtes Frühlingsgezwitscher, was die Musical Company im "Hotel Cap Polonio" auf die Bühne bringt. Als der Vorhang zur Pause fällt, ist das Publikum beinahe ganz still, sichtlich beeindruckt und bedrückt. Die leidenschaftlich agierenden Darsteller aber holen ihre Zuschauer ganz am Schluss heraus aus dem Jammertal. Voller Leidenschaft stimmen sie in das Lied vom neuen Sommer ein. Der Sommer, der immer auch neue Hoffnung bringt. Und nach dem Schlussakkord brandet frenetischer Beifall auf, in dem sich die Anspannung löst, die die Musical Company im Verlaufe der Aufführung aufbaut.

Das Fazit muss lauten: Unbedingt hingehen! Es gibt noch Karten für die täglichen Vorstellungen bis Sonnabend. Tickets zum Preis von 15 Euro (ermäßigt elf Euro) gibt es "Bücherwurm" in der Pinneberger Fußgängerzone und im Internet. Beginn der Aufführungen ist jeweils um 19.30 Uhr (Einlass ab 19 Uhr).

www.musical-company.org