Jeder dritte bis vierte Schüler sucht heutzutage Hilfe bei Studienkreis, Schülerhilfe und Co. 45 Prozent davon sind Gymnasiasten.

Kreis Pinneberg. Englisch ist nicht sein stärkstes Fach. Latein, Sport und Geschichte liegen Joshua Heitsch, der in die neunte Klasse der Johannes-Brahms-Schule in Pinneberg geht, schon mehr. Hier schreibt der 15-Jährige Einsen und Zweien. In Englisch steht auf seinem Zwischenzeugnis eine Vier. Woran das liegt, hat er schon erkannt: "Ich habe bisher Wort für Wort übersetzt." Besser wäre, den Sinn zu erfassen. Wie das geht, lernt er nun in der Nachhilfe. Seit Jahresbeginn kommt er jeden Dienstag für anderthalb Stunden zum Studienkreis an der Dingstätte in Pinneberg, um seine Note zu verbessern. Erste Erfolge haben sich bereits eingestellt. Bei seiner letzten Englischklausur hat er ein gutes Gefühl. Thema war Robert Swindells "Abomination". Das Buch haben sie im Unterricht gelesen - auf Englisch natürlich. Diesmal hat er alles verstanden.

Joshua ist bei Weitem kein Einzelfall. Allein in seiner Klasse sind es sechs von 21 Schülern, die nach der Schule zusätzlich unterrichtet werden. Laut einer Bertelsmann-Studie nimmt bereits jeder dritte bis vierte Schüler im Laufe seiner Schulzeit Nachhilfe in Anspruch. Mit 45 Prozent sind die Gymnasiasten am stärksten vertreten. Es folgen 20 Prozent Realschüler und 13 Prozent Grundschüler. "Die Zahlen zeigen, dass Eltern eine Förderung ihrer Kinder außerhalb der Schule als eine sinnvolle Ergänzung der Schulausbildung betrachten", sagt Andrea Heiliger, Sprecherin des Bundesverbandes Nachhilfe- und Nachmittagsschulen. "Sie setzen sich für die Bildung ihrer Kinder ein und stellen die Weichen für deren berufliche Zukunft."

Insgesamt gibt es in Deutschland circa 4000 Nachhilfeeinrichtungen. Hinzu kommt der Graumarkt, der durch Schüler, Freunde, Nachbarn oder Familie angeboten wird. Der Studienkreis hat 1974 erstmals eine Lerngruppe eröffnet und ist mit bundesweit 1000 Schulen neben der Schülerhilfe immer noch führend am Markt. "Als wir vor 29 Jahren anfingen, gab es kaum Konkurrenz", sagt Studienkreis-Leiterin Helga Dreyer. Doch auch der Bedarf an Nachhilfe sei gestiegen. "Wir haben in diesem Jahr nach den Zwischenzeugnissen einen besonders großen Ansturm verzeichnet", sagt sie. 70 Schüler kommen regelmäßig zum Lernen her.

Die Gründe für den steigenden Bedarf sind vielfältig: Der Umzug in ein anderes Bundesland, eine längere Krankheit, der Wechsel aufs Gymnasium reichen manchmal, um den Anschluss zu verlieren. Große Klassen und finanzielle Einsparungen erschweren die individuelle Förderung. "Oft sind beide Elternteile berufstätig und haben keine Zeit, sich abends noch intensiv mit den Hausaufgaben auseinanderzusetzen und mit den Kindern zu üben", sagt Helga Dreyer. Auch Alleinerziehende würden die Hilfe in Anspruch nehmen. Manchmal ist es auch besser, wenn Außenstehende bei Mathe oder Französisch helfen, weiß Helga Dreyer. "Zu Hause kochen die Emotionen sonst schon mal hoch." Einen Ansturm verzeichnet sie regelmäßig kurz vor den Abiturprüfungen. "Die Zahl der Grundschüler, die zu uns kommen, ist hingegen stark zurückgegangen", sagt Helga Dreyer. Der Grund: Die Schulen haben ihre Ganztagsbetreuung ausgebaut, wo die Kinder auch Hilfe bei den Hausaufgaben und beim Lernen erhalten.

Der Unterricht an den Schulen ist wesentlich anspruchsvoller als noch vor ein paar Jahren. "Was die Schüler früher in der sechsten Klasse lernten, müssen sie heute in der fünften können", sagt Sylvia Jahnke aus Heist. Für die G 8-Jahrgänge werde sich diese Entwicklung wohl noch verschärfen. Dann bleiben für das Abitur nur noch zwölf Jahre. Die gelernte Dolmetscherin bringt den Kindern und Jugendlichen im Studienkreis seit 19 Jahren die englische Sprache näher. Ihre Lerngruppen bestehen aus drei bis fünf Schülern. Sie arbeitet wie ihre Kollegen eng mit den Eltern und wenn es gewünscht ist auch mit den Lehrern der öffentlichen Schulen zusammen. "Die meisten Eltern wollen aber nicht, dass wir Kontakt zur Schule aufnehmen", sagt Sylvia Jahnke. Der Studienkreis bietet neben Nachhilfe auch Kurse in Lerntechnik, Förderung bei Lese-Rechtschreib- oder Rechenschwäche sowie die Förderung von Hochbegabten und Online-Sofort-Hilfe für Mathematik.

Die meisten Verträge laufen über zehn Monate. Wer zweimal wöchentlich für jeweils 90 Minuten die Nachhilfe in Anspruch nimmt, zahlt 139 Euro. Das sind etwas über 17 Euro pro Unterrichtseinheit. Andere Nachhilfeangebote liegen deutlich drüber. Wer Einzelunterricht zu Hause möchte, muss laut Bundesverband der Nachhilfe- und Nachmittagsschulen mit 20 bis 45,50 Euro pro Unterrichtsstunde rechnen. Damit Kinder aus mittellosen Familien nicht benachteiligt werden, hat beispielsweise der Verbund der Schulsozialarbeit und offene Kinder- und Jugendarbeit der Stadt Pinneberg einen Flyer mit überwiegend kostenlosen schulischen Hilfsangeboten wie Lernlabor, Hausaufgabenhilfe, Lese-Rechtschreib-Schwäche-Training oder Mathematik erstellt. Eltern, die vom Staat Leistungen beziehen, können das Bildungspaket über die Schulsozialpädagogen und das Jobcenter beantragen.

Joshua Heitsch hat sich jetzt übrigens zwei neue Bücher auf Englisch gekauft, eins über Australien und das andere über Neuseeland. "Da möchte ich unbedingt mal hin", sagt er. Mit den Einheimischen wird er sich dann bestens verstehen.

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