Alarmierende Zahlen: Ein Schutzpolizist im Kreis Pinneberg hat knapp 50 Stunden Mehrarbeit - Kripo-Beamte sogar fast 150 Stunden.

Kreis Pinneberg. Die Zahlen, die das Kieler Innenministerium veröffentlicht hat, sind alarmierend. Bis zum 31. Dezember 2011 häuften Polizisten in Schleswig-Holstein genau 315 213 Überstunden an. Bei landesweit 6500 Beamten sind dies 48,5 Stunden pro Kopf. Die Situation im Kreis Pinneberg ist noch minimal schlechter: Die 385 Kriminal- und Schutzpolizisten sowie die Verwaltungsmitarbeiter hatten bis Ende des Vorjahres 19.500 Überstunden angesammelt. Das ergibt einen Pro-Kopf-Anteil von 50,64 Stunden.

"Die Zahl der Überstunden ist hoch, liegt aber im Rahmen des Zulässigen", sagt Direktionsleiter Heinz Parchmann. Ein Grund zur Beunruhigung bestehe nicht, die Sicherheitslage sei stabil und die Polizei nehme ihre Aufgaben wahr.

Reimer Kahlke, Chef der Regionalgruppe Segeberg-Pinneberg der Gewerkschaft der Polizei (GdP), sieht das anders. Damit die Beamten die Überstunden abbauen könnten, werde die Verkehrsüberwachung eingeschränkt und der Präsenzdienst auf das unbedingt Notwendige heruntergefahren.

Damit sei die Sicherheit der Bevölkerung gewährleistet und sichergestellt, dass nach Absetzen eines Notrufs bis zum Eintreffen eines Polizeifahrzeugs nicht mehr als zehn Minuten vergehen. "Der Abbau der Überstunden erfolgt fast ausschließlich durch Freizeitausgleich", sagt Kahlke. Jedoch steige die Arbeitsbelastung. "Weil wir unsere Schichtstärken nicht grenzenlos herunterfahren oder die Ermittlungsvorgänge einfach liegen lassen können, gelingt uns der Abbau von Überstunden nicht."

Dass der Berg an Überstunden bereits vor Jahren entstanden ist, bestätigt auch Direktionsleiter Parchmann. "Einige Dienststellen tragen die Altlasten seit langem vor sich her." Überstunden, die neu anfallen, könnten meist auch abgebummelt werden. Die Altlasten jedoch seien kaum zu bewältigen.

Parchmann weist darauf hin, dass die Belastungen der Dienststellen völlig unterschiedlich seien. So seien die Bereiche, die rund um die Uhr besetzt sein müssen, deutlich stärker von der Problematik betroffen als solche, die nur tagsüber besetzt sind.

Ein besonderes Problem besteht für die Beamten, die der Einsatzhundertschaft der Polizeidirektion Bad Segeberg angehören. Sie wird regelmäßig für schwierige Einsätze wie Castor-Transporte, besucherstarke Fußballspiele oder Großdemonstrationen angefordert.

"Voriges Jahr waren unsere Kollegen über Pfingsten in Brokdorf gleich mehrere Tage hintereinander im Einsatz, da hat sich einiges aufgebaut", sagt Parchmann. Für diese sogenannten geschlossenen Einsätze wurden 2011 mehr als 27.000 Stunden aufgewendet - gegenüber lediglich 17.000 Stunden in 2010. Von den voriges Jahr angefallenen Stunden aus den geschlossenen Einsätzen seien lediglich 4500 Stunden ausgezahlt worden.

+++ Polizei im Norden sammelt 315.000 Überstunden +++

Besonders belastet ist die Kriminalpolizei im Kreis Pinneberg. Dort sind 45 Ermittler tätig, die Ende 2011 sage und schreibe 6700 Überstunden angehäuft haben. Das entspricht einem Pro-Kopf-Anteil von 148,8 Stunden. Der Direktionsleier erklärt dies durch zahlreiche intensiv zu bearbeitende Kriminalfälle, für die Sonderkommissionen eingerichtet werden mussten. "Die Sofortermittlungen sind zwingend notwendig. Man kann nicht nach der Kriminalität die Uhr stellen."

Laut Gewerkschaftschef Kahlke verstärken bereits zahlreiche Kollegen der Schutzpolizei die Kripo-Dienststellen. "Trotzdem ist die Situation so wie sie ist. Landesweit fehlen 140 Kriminalpolizisten." Auch in der für vier Kreise zuständigen Regionalleitstelle in Elmshorn fehlt es laut der GdP an Personal.

Sechs Kollegen aus der Polizeidirektion Bad Segeberg und drei aus Itzehoe seien dort eingesprungen, weil statt den 54 Mitarbeitern, die für den Betrieb notwendig wären, nur 45 Personalstellen bewilligt worden seien. Kahlke: "Wegen der hohen Belastung der Kollegen ist der Krankenstand dort weit überdurchschnittlich".

Im Winter, wenn die Zahl der Urlauber und die der Einsätze geringer ausfallen, schicken die Dienststellenleiter ihre Untergebenen in den "Zwangsurlaub". Daher liegt die Zahl der Überstunden in der kalten Jahreszeit durchschnittlich bei 19 000 Stunden, während im Sommer schnell mehr als 24 000 Stunden zusammenkommen. "Viele Mitarbeiter der Polizei haben im Sommer wochenlang kein einziges freies Wochenende", sagt Kahlke. Er moniert, dass die Bearbeitungszeiten der Fälle steigen und der Krankenstand bei der Polizei höher ist als in der Wirtschaft. "Die Situation wird auf den Knochen der Mitarbeiter ausgetragen."

Bereits jetzt seien für den Sommer mehrere Großlagen angekündigt. "Wir fragen uns, wie wir wieder einmal durch den nächsten Sommer kommen", sagt GdP-Mann Kahlke. Sein Chef Heinz Parchmann sieht die Lage weniger schwarz. "Die Überstunden-Situation ist nicht erfreulich, aber auch nicht alarmierend."