Verwaltung und Musikschule Pinneberg organisieren Klassik-Events in der Trauerhalle am Hogenkamp

Pinneberg. Stimuliert von Sonnenschein und frühlingshaften Temperaturen stimmten die Vögel auf dem Pinneberger Stadtfriedhof ein munteres Liedchen an. Es war, als pfiffen es die Spatzen schon von den Dächern. Denn auf dem parkähnlichen 15-Hektar-Areal am Hogenkamp sollen in Zukunft nicht mehr nur traurige Töne in Moll erklingen. Am Sonntag, 1. April, kommt es auf dem Gelände der rund 70 Jahren alten Begräbnisstätte zur Premiere einer Veranstaltung, die laut den Veranstaltern einen in der Region einzigartigen Charakter hat: Die Pinneberger Friedhofskapelle wird zur Konzerthalle. Vier Fagottisten um den Pinneberger Musikschullehrer Rolf Ruthof werden dort, wo sonst die Trauerfeiern abgehalten werden und den Gestorbenen die letzte Ehre zuteil wird, ab 17 Uhr klassische Musik spielen.

Entwickelt haben die Idee der Konzerte auf dem Friedhof der Werkleiter des Kommunalen Servicebetriebes Pinneberg (KSP), Jan Gawryluk, und sein kaufmännischer Leiter Thorsten Backhaus. Gawryluk, zu dessen Zuständigkeit auch der Stadtfriedhof gehört, hatte das Konzept jüngst im Ausschuss für Wirtschaften und Finanzen vorgestellt - und breite Zustimmung der Politik geerntet.

"Der Friedhof soll als ein lebendiger Bestandteil der Stadt erfahrbar sein", hieß es in der Verwaltungsvorlage. "Wir bringen den Friedhof auf diese Weise positiv ins Gespräch", sagte der KSP-Chef dem Abendblatt.

Dr. Winfried Richter als Leiter der Pinneberger Musikschule, dessen Kollegen und Schüler die Konzerte auf dem Friedhof bestreiten sollen, zeigte sich begeistert von dem neuen Spielort, der sich auftut: "Rund um die Kapelle herrscht keine Friedhofsatmosphäre, sondern die eines Parks. Das reetgedeckte Gebäude wirkt wie ein Bauernhaus. Und vor allem: Der Raum mit 120 Plätzen klingt." Der Musikschulleiter kann sich vorstellen, eine fortwährende Veranstaltungsreihe mit Konzerten alle paar Wochen zu gestalten - und zwar "nicht nur mit traurigen Programmen". Dennoch sind der musikalischen Bandbreite enge Grenzen gesetzt. "Es wird keine Heavy-Metal-Konzerte geben, das verbietet die Pietät", sagte Thorsten Backhaus.

Aber auch er ist sich sicher, dass Trauernde und Konzertbesucher sich nicht stören werden. Schließlich führe der Hauptweg zur Kapelle nicht direkt durch die Gräberfelder. "Es führt also auch für die jungen Leute nicht zur Stresssituation", sagt Backhaus. Ihm schwebt vor, das Kulturangebot auf dem Friedhof in den Veranstaltungsbogen des künftigen Stadtmarketings einzubauen.

Backhaus, der selbst mehrere Instrumente spielt, schwärmt von der guten Akustik in der Trauerhalle und vom Klangbild der Orgel mit ihren 676 Pfeifen, die er eigenhändig und fachkundig testete. Das Instrument könne während der Konzerte bespielt werden. Auch der Auftritt von Gospelchören sei denkbar. Jan Gawryluk kann sich auch vorstellen, literarische Lesungen auf dem Pinneberger Friedhof abzuhalten. Man werde auf jeden Fall wieder naturkundliche Führungen über den Stadtfriedhof anbieten, um die dortige Fauna und Flora zu erläutern.

Die beiden KSP-Verantwortlichen sind sich sicher, dass nicht nur die Musiker und ihr Publikum von der Konzertreihe profitieren werden. "Wir denken, dass wir damit ein Stück öffentliche Attraktivität herstellen", sagt Backhaus. Die Friedhofskapelle als Immobilie werde belebt; für das Wohnumfeld rund um den Friedhof erwarte man eine "steigernde Wirkung".

Die Zusatzkosten durch die Konzerte auf dem Friedhof sind sehr gering. Denn die Kapelle muss, vor allem mit Blick auf die dortige Orgel, ohnehin durchgehend beheizt werden. Und gerade junge Musiker aus den Reihen der Musikschule, die ansonsten kaum kostenlose oder kostengünstige Möglichkeiten finden, vor größerem Publikum aufzutreten, werden auf diese Weise gefördert. "Es wird für jeden eine Freunde sein, zu den Konzerten zu gehen", sagt Winfried Richter. Zunächst sollten erfahrene Musiker und Musiklehrer auftreten, um die neue Veranstaltungsreihe zu etablieren, dann kommen zunehmend jüngere Musiker zum Zuge. "Die ersten Gruppen, die auftreten, haben ein festes Stammpublikum von gut 80 Personen. Schon mit diesen Menschen und einigen Interessierten zusätzlich hätten wir eine Auslastung von 80 Prozent", sagte Kaufmann Backhaus.

Bis dato wird die Friedhofskapelle durchschnittlich drei bis fünfmal pro Woche benutzt. Diese finden nur in Ausnahmefällen sonnabends, aber nicht sonntags statt. Das Gebäude war vom bekannten Architekten Klaus Groth entworfen und 1957 eingeweiht worden. Das Grab Groths befindet sich in der Nähe der Kapelle. Es befinden sich rund 9000 Grabstellen auf dem Waldfriedhof. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist der Pinneberger Friedhof mit dem Bus der Linie 285 (bis Haltestelle Richthofenstraße, ab dort zu Fuß) zu erreichen.

Die Vertreter größerer Bestattungsunternehmen aus Pinneberg sind gefragt worden und haben Zustimmung signalisiert, sagt Jan Gawryluk. "Wenn wir Pinneberg auf diesem Weg über seine Grenzen hinweg bekannter machen, haben wir schon gewonnen", so der Werkleiter. "Und wenn wir nichts probieren, passiert auch nichts." Bevor er nach Pinneberg kam, hatte er viele Jahre lang die Geschicke des Friedhofs Ohlsdorf in Hamburg mitbestimmt. Wenn er sich "attraktive Friedhöfe" wünscht, die von den Menschen des jeweiligen Ortes angenommen werden, dann ist das für ihn auch eine kultur-historische Frage. In einem Interview sagte Gawryluk mit Blick auf den Trend zur Anonymisierung bei Beerdigungen und Privatisierungen von Begräbnisstätten: "Menschen wollen und brauchen einen festen Ort des Gedenkens. Sie brauche den Friedhof."