Der 41-jährige Ellerbeker Bildhauer Peer Oliver Nau schafft mit der Kettensäge detaillierte, häufig auch skurrile Kunstwerke aus Holz.

Ellerbek. Manche seiner Werke sind auf den ersten Blick skurril, bei anderen erschließt sich die Hintersinnigkeit erst im Detail. Bevor sich Künstler Peer Oliver Nau an die Feinheiten machen kann, ist er zu Anfang immer der Mann fürs Grobe.

Seine Skulpturen entstehen aus groben, zentnerschweren Baumstümpfen, manchmal gar aus ganzen Stämmen. Der 41 Jahre alte Gestalter, der in Ellerbek lebt und arbeitet, sieht aus wie ein Waldarbeiter mit Schutzhelm und Sicherheitskleidung, wenn er sich an die Arbeit macht. In schier irrsinnigem Tempo lässt der Kettensäge-Profi, der mittlerweile passenderweise vom Werkzeughersteller Stihl unterstützt wird, aus einem unbehandelten Stück Holz Figuren und Objekte entstehen - zum Beispiel einen Konzertflügel.

Den Klavierspieler, der später den Eindruck machen wird, als fliege er buchstäblich über die Tasten, schneidet Nau aus dem gleichen Stück Rohmaterial heraus. Der Bildhauer der besonderen Art lässt seinerseits die Kettensäge fliegen. Und sie ist und bleibt sein einziges Werkzeug, außer dem Pinsel, mit dem der Ellerbeker am Ende seine Werke in oft kräftigen Acrylfarben anmalt. Den größten Teil der Arbeit erledigt Nau in einem Schuppen eines abgelegenen Gartenbaubetriebes. Denn so sehr manch Kunstfreund mittlerweile seine Werke schätzt, so wenige halten den Gesang der Kettensäge für melodisch.

In seinem Wohnhaus und Atelier in einer ehemaligen Scheune an der Dorfstraße in Alt-Ellerbek, gleich gegenüber des "Heinsens", stehen zahlreiche, teils lebensgroße Holzfiguren. Darunter zum Beispiel eine Gruppe von Kindern mit Schulranzen beim Ringelreihen. Niedlich? Von wegen! Nau zeigt auf eine rote Lampe, die er in einen der Ranzen eingebaut hat. Die Lampe symbolisiert blinkend eine tickende Bombe, das Kind ist ein Selbstmordattentäter ...

Es gibt aber sehr wohl höchst anmutige Objekte wie eine sich in die Höhe reckende Ballerina.

Der in Berlin geborene Künstler sprüht über vor Ideen. Er regt an, regt auf, provoziert - was nicht jedem gefällt. Die fleischfressende Pflanze mit den Krokodilmäulern, aus denen noch Körperteile ragen, sollte den Eingang einer Werbeagentur zieren, war den Auftraggebern aber dann zu gruselig. Zur Einweihung seines Ellerbeker Domizils lud Nau ein, was im Ort Rang und Namen hat - und erklärte, der frühere Hamburger Bürgermeister Ole von Beust sei auch dabei. War er dann auch, allerdings als Holzkopf. Das fand nicht jeder komisch, wird gemunkelt. Vor der Tür steht im eisigen Winterwind ein (Holz-)Bademeister nebst Rettungsring im "Freibad Ellerbek".

"Seine Skulpturen, die er aus verschiedensten Holzarten mit einer Kettensäge erschafft, sind Ausdruck wieder gewonnener Kindlichkeit und pointieren oft die sensiblen Seiten unseres Daseins: Peinlichkeit, Empfindsamkeit, Angst." So skizzierte Kunstkritikerin Nadine Taubert das Werk des Bildhauers während einer Schau in Sao Paulo.

Kunst im öffentlichen Raum war und ist für Nau immer auch Möglichkeit zu polarisieren. In Schneeberg im Erzgebirge, wo er an der Kunsthochschule Holzgestaltung studierte, baute er mitten auf dem Marktplatz einen Eingang zu einer fiktiven U-Bahn-Station inklusive der obligatorischen Graffitis. Des Volkes Seele in der Kleinstadt schäumte. Und während seiner Zeit an der Bauhaus-Uni in Weimar inszenierte er als Abschlussarbeit eine gigantische Kissenschlacht mit mehreren Hundert Protagonisten als eine Hauerei unter verschiedenen sozialen Schichten. Drei Fernsehteams drehten live, von den Professoren gab es die Note zwei, was Nau aber egal war: "Noten sind in der Kunst nicht wichtig."

Sein Handwerk als Holzgestalter und mit der Kettensäge hatte Nau seinerzeit vor allem beim Bildhauer Eckhard Labs gelernt. "Es geht darum, mit der Kettensäge zu arbeiten wie mit einem Bleistift." Eine Unterscheidung ist ihm wichtig: "Alle Stücke sind Unikate. Ich bin Bildhauer, kein Schnitzer." Er arbeitete und studierte unter anderem auch in den USA und in Brasilien. Ursprünglich hatte er Sport studiert, selbst aktiv Volleyball in der dritten Liga gespielt und als Co-Trainer die Bundesliga-Volleyballerinnen des CJD Berlin betreut.

Zur Kunst kam der damalige Berliner, der als Jugendlicher Comics gezeichnet hatte, als er bei einem Triathlon einen Holzgestalter kennenlernte.

Seine sportliche Vergangenheit kommt dem 41-Jährigen bei seinem neuesten Großprojekt zugute. Auf dem Friedhof in Hamburg-Rahlstedt gestaltet Nau einen abgestorbenen Baum zu einer acht Meter hohen Skulptur um. Entstehen soll die "größte farbige Kettensägen-Skulptur" weit und breit. Um daran zu arbeiten, muss Nau sich mittels Seilklettertechnik von dem toten Baum abseilen und einhändig mit der Motorsäge arbeiten. Auftraggeber sind die Betreiber des Friedhofes. Auf einem anderen Friedhof in Blankenese steht bereits ein außergewöhnliches Werk des Ellerbekers. Daran zu entdecken: Verschiedene Szenen zum Thema Leben und Sterben. Darin versteckt ist eine Seifenblasenmaschine, die schillernde Blasen aus der Skulptur über den Gottesacker pustet.

Peer Oliver Nau möchte in der Ellerbeker Ortsmitte am liebsten eine kleine Künstlerkolonie etablieren, mit Workshops nicht nur zur Holzgestaltung, sondern auch zum Thema Schmuckgestaltung. Zweimal im Jahr heißt es "Offenes Atelier". Der 41-Jährige bietet gerne auch Auftragsarbeiten an, sei es in Form von Portraits in Holz; sei es als Gestalter einzigartiger Gartenbänke oder Rosenspaliere. Ein überlebensgroßer Kopf von Fernsehmoderator Stefan Raab ist indes einzig aus Daffke entstanden.

Der große künstlerische Lebenstraum des Kettensägen-Bildhauers ist es, das "Tor zur Hölle" von Auguste Rodin nachzuempfinden. "In Holz, vielleicht sechs, sieben Meter hoch."

www.peerolivernau.de