Urteil: Vier Jahre Haft für ehemaligen Bereichsleiter der Arge im Kreis Pinneberg Sven P., der mehr als 225.000 Euro unterschlagen hat.

Elmshorn/Itzehoe. Sven P. hatte eine Bitte: "Ich möchte in die Lage versetzt werden, meine Schulden persönlich zu tilgen - und zwar nicht durch einen Aufenthalt im Gefängnis, sondern durch harte Arbeit." Eine Bitte, die von der Ersten Großen Strafkammer des Landgerichts Itzehoe gestern Nachmittag abgelehnt wurde: Der ehemalige Bereichsleiter der Arbeitsgemeinschaft (Arge) des Kreises Pinneberg, der 226 705,62 Euro an Steuergeldern unterschlagen hat, muss für vier Jahre ins Gefängnis. Drei Monate gelten laut dem Urteil aufgrund der langen Verfahrensdauer bereits als vollstreckt. Eine Bewährungsstrafe, wie sie der sichtlich erschütterte Angeklagte erhofft hatte, hielt die Kammer für nicht angemessen.

Es war eine Bilderbuchkarriere, die Sven P. im öffentlichen Dienst hingelegt hatte. Mit 16 Jahren nach der mittleren Reife machte er seine Ausbildung im Arbeitsamt - und arbeitete sich dort immer weiter nach oben. Er wurde erst Team-, dann Gruppenleiter. Ab Januar 2010 fungierte er als Bereichsleiter Geldverkehr für alle fünf Leistungszentren des Kreises. Sven P. war unmittelbar unter der Geschäftsführung angesiedelt - und genoss deren Vertrauen.

Aber er hatte auch eine andere Seite - seine Alkoholsucht. "Es fing Ende 2005 an. Da bin ich volltrunken in eine Nachtbar getappt, und als ich am nächsten Morgen aufwachte, hatte ich einen Berg voll Schulden", sagte Sven P. Er habe plötzlich mit 3000 Euro in der Kreide gestanden - und angesichts seines Nettogehalts von 1900 Euro und eines Hausbaukredites, der zu bedienen war, nicht zahlen können. Da kam ihm eine verhängnisvolle Idee.

Der Elmshorner nutzte den Umstand aus, dass bei der Arge die Programme für Barauszahlungen und Überweisungen nicht miteinander vernetzt sind. Er täuschte vor, dass bei ihm im Büro ein Leistungsempfänger sitzt, der sein Geld nicht erhalten hat und wies eine Mitarbeiterin an, eine Barauszahlung vorzubereiten.

Daraufhin holte Sven P. Auszahlungsbeleg und Geldkarte ab und ließ sich den Betrag am Geldautomaten der Arge auszahlen. Den Beleg gab er nicht zu den Akten, so dass niemand Verdacht schöpfte. "Ich wusste, dass es falsch war. Aber ich war wie in einem Kreislauf und kam da einfach nicht raus."

+++ Kripo ermittelt gegen Arge-Bereichsleiter +++

Immer wieder griff der Elmshorner nach Feierabend zur Flasche. Das brachte ihm fünf Vorverurteilungen ein - wegen Alkohol am Steuer und Fahren ohne Fahrerlaubnis. Und immer wieder landete er schließlich schwer alkoholisiert in einschlägigen Lokalitäten in Elmshorn und in Hamburg. "Er hatte besondere Wünsche, für die eine Dame nicht ausreichte. Und da waren schnell 2000 Euro in einer Nacht weg", berichtete die Kripo-Beamtin Angela H., wie der Angeklagte das Geld verprasste.

Um die horrenden Rechnungen aus den Bordellen zahlen zu können, erfand der Angeklagte neue Auszahlungsvorgänge. 195 Fälle, begangen zwischen Oktober 2005 und Mai 2010, listete die Anklageschrift auf. Staatsanwalt Joachim Bestmann brauchte 30 Minuten, um alle Fälle inklusive der Auszahlungssumme und den Namen der Leistungsempfänger vorzulesen.

"Ich war immer wieder überrascht, dass nichts rauskam. Ich war überzeugt, dass es irgendwann auffallen musste", so der Angeklagte. Er schilderte, wie er immer zusammenzuckte, wann die Nummer seines Chefs im Display seines Telefons aufleuchtete. Anfang 2010 wurde dann Julia V., die neu im Finanzbereich der Arge tätig war, auf die Transaktionen aufmerksam. "Es kam mir komisch vor, dass Herr P., der als Bereichsleiter gar nicht zuständig war, diese Zahlungsanordnungen traf", berichtete sie als Zeugin. Die 25-Jährige trug im Laufe der nächsten Wochen immer mehr Verdachtsmomente gegen Sven P. zusammen. Der bekam im Mai 2010 mit, dass er aufzufliegen drohte und erstattete Selbstanzeige.

Vier Monate später wurde Sven P. erneut mit 1,9 Promille Alkohol hinterm Steuer erwischt. "Ich war selbstmordgefährdet und habe mich dann selbst in die Psychiatrie eingewiesen", sagte er. Nach einer sechswöchigen stationären Behandlung sei er stabilisiert.

"Sie haben die Mängel im System der Arge für sich ausgenutzt", hielt Staatsanwalt Bestmann dem Angeklagten vor. Er habe gewerbsmäßig gehandelt, sich eine zusätzliche regelmäßige Einnahmequelle verschafft und einen hohen Vermögensschaden angerichtete. "Der Öffentlichkeit muss deutlich gemacht werden, dass ein Amtsträger, der so was macht, strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wird."

Verteidiger Christoph Heer hob dagegen hervor, dass der Angeklagte durch seine Selbstanzeige das Verfahren ins Rollen gebracht und maßgeblich bei den Ermittlungen behilflich war. Sven P. habe sich in der Personalvermittlung selbstständig gemacht und ein Schuldanerkenntnis unterschrieben. Heer: "Nur eine Bewährungsstrafe beinhaltet die Chance, mit der finanziellen Wiedergutmachung zu beginnen." Der Anwalt will eine Revision prüfen.