“Es ist unsere Pflicht, uns zu erinnern“, so der Kreispräsident. Festakt des Pinneberger Kreistags zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus.

Pinneberg. Es war ein feierlicher, anrührender, dem Anlass würdiger Moment. Die kleine Prozession mit Kreispräsident Burkhard E. Tiemann an der Spitze verließ zur Musik von Pianistin Maria Livaschnikova die historische Drostei in Pinneberg, die Gäste der Feierstunde stellten auf den Stufen der Freitreppe kleine Kerzen auf, um sich am Fuß der Treppe nochmals für einen Augenblick des stillen Gedenkens zu versammeln. Im Namen des Kreistages hatte Tiemann in das Kulturzentrum eingeladen, um den Tag des Gedenkens der Opfer des Nationalsozialismus zu begehen.

Am 27. Januar 1945 hatten Soldaten der Roten Armee die wenigen Überlebenden des Arbeits- und Vernichtungslagers Auschwitz befreit. Jetzt, 67 Jahre später, sei das Erinnern umso wichtiger, sagte der Kreispräsident: "Je weiter die Gräueltaten zurückliegen, umso intensiver ist es unsere Pflicht, daran zu erinnern."

Dieses dunkelste Kapitel deutscher Geschichte dürfe weder vergessen noch verdrängt werden, so der CDU-Politiker in seiner Festansprache. Vielmehr gelte es, auf die Gefahren hinzuweisen, die mit dem Vergessen einhergingen, sagte Tiemann, und spielte damit auf die Mordserie rechtsradikaler Fanatiker aus der Zwickauer Terrorzelle an, die "eine blutige Spur" gezogen hätten. Der Kreispräsident begrüßte während seiner Ansprache vor einer handverlesenen Schar illustrer Gäste, darunter Bürgervorsteherin Natalina Boenigk, Polizeidirektor Heinz Parchmann und Oberst Klaus-Christian Kuhle, Kommandeur der Unteroffizierschule in Appen: "Das Ziel, dass Menschen aus anderen Kulturkreisen frei und sicher in unserem Land leben können, haben wir noch nicht erreicht."

"Der Schatten von Auschwitz wird immer bleiben", sagte der Kreispräsident im von Kerzen erleuchteten Saal der Drostei, "nach Auschwitz ist nichts mehr wie vorher."

Auch Brigitte Fronzek, Bürgermeisterin der Stadt Elmshorn, warnte vor einer trügerischen Sicherheit: "So sicher, wie uns unsere Leben und unsere Freiheit scheinen, so sicher sind sie nicht." Die SPD-Politikerin stellte in den Raum, ob sich eine Entwicklung wie seinerzeit in Nazi-Deutschland wiederholen könne. "Es ist leicht, Hass zu predigen. Und es ist anstrengend, für die Würde des einzelnen einzutreten. Aber das sind wir den Opfern schuldig", sagte Brigitte Fronzek. Sie forderte in Erinnerung auch an die vielen jungen Menschen, die in Auschwitz getötet worden waren, dazu auf, vor allem "all die wunderbaren Jugendlichen mit ihren Talenten, Träumen und Wünschen" zu schützen.

Propst Horst Gorski vom Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein erinnerte an den 28. Oktober 1938, als in Hamburg-Altona zahlreiche Juden zur Deportation ins Niemandsland zwischen Deutschland und Polen zusammengetrieben worden waren - unter den Augen auch eines christlichen Bürgertums, so der Propst. Der Rechtsstaat schaffe nur eine Hülle, sagte der Geistliche, die von der Gesellschaft zu füllen sei. Momentan, so beklagte der Propst, "sind einige Werte der Gesellschaft am Verdunsten". Das riefe bei vielen Menschen Angst und Verwirrung hervor, die dann teils nach fundamentalistischen Werten griffen. "Statt Fundamentalismen zuzulassen, müssen wir die Mitte und das Fundament stärken", forderte Gorski. Die Angst vieler Menschen gelte es ernst zu nehmen.

Beendet wurde der Festakt mit einer Lesung von Tiemann, der unter anderem aus "Fundstücke: Mauern und Grenzen" eine Geschichte von Reinhard Großmann aus dem Warschauer Ghetto rezitierte. Dann wurde das Licht der Kerzen von einem zum anderen weitergereicht, und die Gäste zogen aus der Drostei aus, eine kleine Flamme gegen die Dunkelheit zu richten.