Pinneberger Gruppe innerhalb von Amnesty International feiert 40. Geburtstag. Festgottesdienst mit Generalsekretär.

Pinneberg. Gruppe 1002, das war und ist ein Häuflein Aufrechter. Eine kleine Schar Gutmenschen, die seit nunmehr vier Jahrzehnten in Pinneberg die Fahne der Menschlichkeit hoch hält.

Zehn Menschen hatten im Januar 1972 die Pinneberger Gruppe, eben jene Gruppe 1002, innerhalb der deutschen Sektion von Amnesty International (ai) gegründet. Unter den Gründungsmitgliedern waren Pastoren, Lehrer, Hausfrauen, Studenten und ein Ingenieur mit Namen Jürgen Ohlert. Der Maschinenbauingenieur, inzwischen 74 Jahre alt, ist der Letzte der Pinneberger ai-Aktivisten der ersten Stunde. Trifft sich die Gruppe 1002 in heutiger Zusammensetzung um Elke Leipold im Gemeindehaus der Pinneberger Christuskirche (Bahnhofstraße), sind es kaum mehr als ein halbes Dutzend Menschen, die sich einfinden.

Der 40. Geburtstag der seinerzeit ersten Amnesty-Gruppe im Kreis Pinneberg aber wird groß gefeiert. Am Sonntag, 22. Januar, wird ab 11 Uhr in der Christuskirche ein spezieller Gottesdienst gefeiert. Angesagt dazu hat sich auch Wolfgang Grenz, Generalsekretär von Amnesty in Deutschland. Er spricht "Für eine Welt frei von Folter". Grenz ist Vorstandsmitglied der UNO-Flüchtlingshilfe. Der Jurist ist außerdem Mitglied im Expertenforum beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

C. Micongwe, Beamter, Malawi; J. Bonacossi, Rechtsanwalt, Argentinien; Leng Wanbao, Arbeiter, China. Der von Elke Leipold und Jürgen Ohlert zusammengestellten Chronik der Pinneberger ai-Gruppe ist eine Liste von 27 Namen beigefügt. 27 Menschen aus aller Welt, für die die Pinneberger Menschenrechtsstreiter sich teils jahrelang eingesetzt hatten. Briefe an Diktatoren wurden geschrieben, Petitionen eingereicht, Mahnwachen und Straßendemos organisiert. Zu Gunsten von Menschen, bei deren Schicksal es um Leben oder Tod ging.

+++ Gefangene müssen menschlich behandelt werden +++

Micongwe aus dem afrikanischen Malawi wurde seit dem Gründungsjahr 1972 von den Pinnebergern betreut, 1977 kam er nach sieben Jahren aus der Gefangenschaft frei. Der Argentinier Bonacossi war 1974 verhaftet worden. Ab 1975 kämpften Jürgen Ohlert und seine Mitstreiter zu Gunsten des Juristen, der 1978, im Jahr der Fußballweltmeisterschaft in Argentinien, aus dem Gefängnis frei kam. Vier Jahre lang setzten sich die Pinneberger in den 1990er-Jahren für den Chinesen Wanbao ein, ehe er 1995 nach sechsjähriger Haft freigelassen wurde.

26 der von Gruppe 1002 betreuten Gefangenen kamen frei, in einem Fall dauerte der Kampf elf Jahre. Der Jurist Orton Chirwa aus Malawi, 1981 verhaftet aus politischen Gründen, verstarb 1992 im Gefängnis. Seine zusammen mit ihm inhaftierte Frau Vera Chirwa kam 1993 frei. In jenem Jahr traf sie Jürgen Ohlert in Deutschland, mit dem sie seitdem in Kontakt ist. "Ich hoffe, ich bin ein gutes Beispiel zu zeigen, was durch die Bemühungen von Amnesty International erreicht werden kann", sagte die Afrikanerin damals. Ihr Schicksal und das ihres Mannes wird am 22. Januar im Rahmen der Festveranstaltung in der Christuskirche nochmals nachgezeichnet.

"Wo das Unrecht menschliche Züge annimmt, wird das Gewissen sensibler für das Unrecht der Welt", sagte seinerzeit Gründungsmitglied Heinz Fast.

+++ Schweine für Freiheit: Video zu 50 Jahren Amnesty International +++

"Den Stummen eine Stimme zu geben." Dieses Motto ist Jürgen Ohlert seit 40 Jahren Motivation. Er habe sich stets als Weltbürger gefühlt, weshalb es ihm nicht schwer gefallen sei, sich für völlig "fremde" Menschen aus anderen Teilen der Erde einzusetzen, so Ohlert "In den Anfangszeiten wurden wir hier in Deutschland schnell verdächtigt, Kommunisten zu sein." In den Ländern, deren Umgang mit Andersdenkenden und Minderheiten angeprangert wurde, galten die Amnesty-International-Aktivisten, je nach Ausrichtung des Regimes, als Agenten des KGB oder der CIA, erinnert sich Ohlert.

"Amnesty muss bleiben!", sagt der 74-Jährige - und spricht davon, dass in vielen Ländern die Menschenrechte mit Füßen getreten werden. "Und das, obwohl 146 Staaten die UN-Erklärung zu Menschenrechten rechtsverbindlich unterzeichnet haben."

Amnesty International in Pinneberg - das waren auch die legendären Bring- und Kaufpartys im Haus Eichenkamp, das durch Gerhard und Wiebke Torp, die damals in dem Gebäude wohnten, zu einem Haus der Menschenrechte und Kultur, und auch zum Zufluchtsort für Flüchtlinge, Verfolgte und Obdachlose gemacht wurde.

Gerhard Torp, Mitbegründer von Amnesty-Gruppe 1002, war 2010 gestorben. In den 1970er-Jahren verströmten die Kauf- und Bringpartys, damals immer am Buß- und Bettag, im Haus Eichenkamp Kommunen-Charme: In der Vorhalle wurden schöne Gegenstände für den guten Zweck verkauft, die Waschküche wurde zum Kinoraum, im Wohnzimmer wurde musiziert, in der Küche intensiv politisch diskutiert.

Die Aufbruchsstimmung der 1970er-Jahre ist lange Geschichte. Der Kampf für die Entrechteten jedoch geht weiter. Im vorigen Sommer demonstrierten Jürgen Ohlert, Elke Leipold und die anderen aus Pinneberg für die Freilassung des kurdischen Rechtsanwalts Sabri Mirza, der im Juni in Syrien verhaftet worden war. Bis ins vergangene Jahr hatten sich die Pinneberger für politische Gefangene auf Kuba eingesetzt, die zwar nach acht Jahren aus den Gefängnissen freigelassen wurden, aber nur, um vom Castro-Regime ins spanische Exil geflogen zu werden, wie Amnesty International kritisierte.

Wer selbst in der Pinnebeger Amnesty-Gruppe mitmachen möchte, kann per E-Mail unter info@ai-pinneberg.de Kontakt aufnehmen.

www.amnesty-pinneberg.de