Nach dem tragischen Unfall in Halstenbek will die Bundestagsabgeordnete jede Fahrerlaubnis an bestimmte Auflagen knüpfen.

Halstenbek/Berlin. Der spektakuläre Unfall in Halstenbek, bei dem ein 76 Jahre alter Autofahrer nach einem Blackout eine Radfahrerin lebensgefährlich und einen Fußgänger schwer verletzte, hat die Diskussion um eine zeitliche Begrenzung des Führerscheinbesitzes neu entfacht. Die Fahrerlaubnis des Verursachers ist erst nach dem Unfall beschlagnahmt worden. Das Hauptopfer, eine 64-jährige Radfahrerin, ringt nach weiterhin mit dem Tod.

Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Valerie Wilms fordert im Gespräch mit dem Abendblatt als "Mindestanforderung" regelmäßige Sehtests für alle Autofahrer. Sie nimmt die bevorstehende Umsetzung einer EU-Richtlinie, die von 2013 an die zeitliche Begrenzung des frisch erworbenen Führerscheins auf zehn Jahre beschränkt, zum Anlass für ihre Forderung. Bedauerlicherweise sei bis jetzt nicht vorgesehen, in Deutschland an die Verlängerung des Führerscheins eine ärztliche Überprüfung oder ein Attest zu koppeln. Vielmehr sollen lediglich die Fotos aktualisiert werden oder die alte Lizenz in einen neuen, fälschungssichereren Ausweis umgetauscht werden.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Ole Schröder setzt auf Freiwilligkeit. Laut Schröder liege es zwar nahe, über die Frage einer Altersgrenze für die Fahrlizenz nachzudenken. "Dass die statistische Unfallgefahr bei Menschen im hohen Lebensalter ähnlich erhöht ist wie bei Fahranfängern, sagt jedoch nichts über die tatsächliche individuelle Fahrtauglichkeit aus." Die Bundesregierung werbe für gemeinsames Verantwortungsbewusstsein älterer Verkehrsteilnehmer und ihrer Angehörigen bei der Beurteilung der Fahrtauglichkeit. Ein Generalverdacht für ältere Autofahrer dürfe es nicht geben. Schröder: "Jeder Verkehrsteilnehmer ist unabhängig von seinem Alter fortlaufend in der Pflicht, seine Fahrtauglichkeit kritisch zu überprüfen.

Eine verpflichtende Altergrenze, wann beispielsweise Senioren den Führerschein zurückgeben sollten, ist auch nach Ansicht des SPD-Bundestagsabgeordneten Ernst Dieter Rossmann aus Elmshorn nicht zielführend. Die Leistungsfähigkeit stelle sich im Alter doch sehr unterschiedlich dar. Wenn überhaupt eingegriffen werden sollte, dann über eine verstärkte Beratung und unter Umständen, etwa bei Unfallverursachern, eine Verpflichtung zu bestimmten Verhaltensweisen.

Eine sogenannte Eignungsüberprüfung von Autofahrern, nicht zu verwechseln mit der medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU), im Volksmund auch Idiotentest genannt, ist bereits gang und gäbe. Jährlich hat das Straßenverkehrsamt Pinneberg etwa 400 Fälle zu bearbeiten, mit "steigender Tendenz" über die vergangenen Jahre, sagt Trampe. Wer in den "Genuss" einer Eignungsüberprüfung kommt, hat dies in der Regel einem Hinweis der Polizei oder Nachbarn, der Familie oder anderen Verkehrsteilnehmern zu verdanken. Mal ist der aggressive Fahrstil eines Autofahrers, der anderen aufstößt, mal sind es altersbedingte Ausfälle, bei denen die Familie des Betroffenen Alarm schlägt.

Das Straßenverkehrsamt überprüft laut Trampe die Hinweise und entscheidet in jedem Einzelfall, ob es zu einer Anhörung kommt und ob möglicherweise sogar ein ärztliches Gutachten angefordert wird. Konsequenz kann unter anderem eine Fahrprobe sein, bei der der Betroffene eine bestimmte Strecke mit Begleitung zurücklegen muss. Im Einzelfall könne es auch zur MPU kommen. Sollten aus Sicht der Behörde Zweifel an der Fahreignung vorliegen, können medizinisch begründete Auflagen verhängt werden.

"Dazu gehört die Verordnung einer Sehhilfe, ein Nachtfahrverbot oder die Vorgabe, einen Wagen mit Automatikgetriebe zu fahren", sagte Trampe, "da der Fahrer beim Schalten der Gänge zu sehr abgelenkt wäre." Der komplette Entzug der Fahrlizenz hingegen gilt als letztes Mittel.

Bei schweren Unfällen bieten Seelsorger Angehörigen und Opfern Hilfe. Doch was ist mit den Verursachern des Unglücks? Wie gehen sie mit Schuld, Trauer und Angst um? "Es liegt in der Natur der Sache, dass wir alle zunächst darauf bedacht sind, den Opfern zu helfen", sagt Marc Meiritz. Der Diakon und frühere Feuerwehr-Notfallseelsorger aus Hamburg ist seit Februar 2011 als katholischer Polizeiseelsorger für Schleswig-Holstein im Amt. Zunehmend haben Polizei und Rettungsdienste aber auch Verursacher im Blick.

"Das ist Teil der Ausbildung", sagt Marc Meiritz. "Alles steht und fällt mit der Erstbetreuung vor Ort." Es sei wichtig, Zuwendung zu zeigen und den Unfallverursacher nicht zu isolieren. Wenn nötig werden Krisenintervention oder Notseelsorge dazu geholt. "Jeder Einsatz ist anders, wie die Menschen, die in den Unfall verwickelt sind, mit der psychischen Belastung umgehen", sagt Marc Meiritz. "Es gibt Menschen, zu denen können sie einfach nicht vordringen. Die bleiben stumm und verdrängen das Erlebte. Andere wiederum können die Hilfe gut annehmen."

"Häufig ist die Hemmschwelle, sich Hilfe zu suchen, bei Unfallverursachern sehr groß", sagt Ulrich Chiellino, Verkehrspsychologe beim Allgemeinen Deutschen Automobilclub. "Manchmal haben sie den Tod von Freunden oder Familienmitgliedern verursacht." Er empfiehlt, sich bei akuten Belastungssyndromen erst einmal an seinen Hausarzt zu wenden, der Kontakte zu Psychologen vermitteln kann.