Oscarpreisträger Günther Schaidt sorgt mit seinen chemischen Spezialeffekten weltweit für Illusionen bei Film, Fernsehen und Theater.

Schenefeld. Die letzten Raketen sind abgefeuert, alle Böller geknallt, die Straßen vom Müll befreit, der Kater der Silvesternacht überstanden. Für Günther Schaidt geht die Show jedoch weiter. Der Schenefelder sorgt an allen Tagen im Jahr für große Effekte und Illusionen.

"Ich würde mich als Polychemiker bezeichnen", sagt der 63-Jährige, während er durch die Räume seiner Firma Safex-Chemie geht. Auf den Werkbänken stehen Nebelmaschinen, Druckluftvorrichtungen für Konfetti, kleine Sprühdosen und allerlei Technik. Hier hat Günther Schaidt den ersten ungefährlichen Kunstnebel erfunden. Vorher wurden militärische Stoffe benutzt, wobei feuergefährliche und ungesunde Öle verdampft wurden. Günther Schaidt verwendete stattdessen wasserlösliche Substanzen, die seit Jahren in der Kosmetik erprobt waren.

Er recherchierte monatelang in Bibliotheken, wälzte sich durch riesige Stapel von Fotokopien. Damals gab es kaum Fachzeitschriften, und Google war noch nicht erfunden. Günther Schaidt probierte verschiedene Zusammensetzungen aus, bis er seinen Kunstnebel gefunden hatte. Den führte er erstmals 1973 an der Hamburger Staatsoper den empfindlichsten Kunden vor: Opernsängern. Alles ging gut, und Günther Schaidt war im Geschäft. Seitdem kommt sein Nebel in Film, Fernsehen und Theater zum Einsatz. Sogar in Amerika wird er vertrieben.

Das brachte ihm 1984 sogar den wissenschaftlich-technischen Oscar von der "Academy of Motion Pictures, Arts and Science" in Hollywood ein, den ihm Janet Leigh (Marion Crane in "Psycho") überreichte. Der berühmte Filmpreis glänzt heute noch genauso wie damals, nur sieht das kaum jemand, denn der kräftige Mann mit dem grauen Bart verwahrt ihn in einem gepolsterten Koffer. Ihn zur Schau stellen, ist nicht sein Ding. Auch als sich daheim kaum einer für seine Auszeichnung interessierte, war es ihm beinahe schon recht.

Sechs nackte Männer suhlten sich stundenlang in seinem Kunstblut

Bloß nicht zuviel Aufhebens machen. Das war auch das Motto des gebürtigen Wiesbadeners an den vielen Filmsets, an denen er mitwirkte und für spektakuläre Explosionen, unheimliche Nebelschwaden oder blutüberströmte Körper sorgte. Denn Günther Schaidt stellt aus Lebensmittelfarbe auch Kunstblut her - leicht auswaschbar, versteht sich. Der Schenefelder erinnert sich besonders gern an eine moderne Macbeth-Inszenierung in Düsseldorf. Sechs nackte Männer suhlten sich stundenlang in seinem Kunstblut. "So was hätte ich mir nie freiwillig angesehen, aber es hat mir damals sehr viel Geld eingebracht", sagt er lachend. Auch Trickflaschen, die beim Zertrümmern auf dem Schädel wie echte Glasflachen wirken, aber zu keinen Verletzungen führen, hat der Experte für Spezialeffekte in seinem Sortiment. Ebenso künstlichen Schnee oder Spezialkonfetti aus Seidenpapier, das schwer zu entzünden ist und länger in der Luft bleibt als handelsübliche bunte Papierschnipsel.

Günther Schaidts Kunstnebel kommt aber nicht nur im Showbusiness zum Einsatz, sondern auch bei Katastrophenschutzübungen, in Operationssälen oder Frühchenstationen - um zu prüfen, ob sie steril sind -, um Umweltsünder zu überführen, die illegal Substanzen in die Kanalisation einleiten, bei Autotests in Windkanälen oder schlichtweg in Diskotheken.

Schon als Kind studierte Günther Schaidt stundenlang Zaubertricks ein oder experimentierte mit seinem Chemiebaukasten. "Aber auch für die Kunst habe ich mich früh interessiert", sagt er. Alle drei Aspekte konnte er in seinem Beruf vereinen. Nach seiner Lehre in einer Hamburger Feuerwerksfabrik machte er sich rasch selbstständig. Heute arbeitet er unter anderem für ein Sicherheitskomitee, in denen europäische Normen für Feuerwerkskörper entwickelt werden.

Explosionen am Filmset entsprechen immer weniger der Realität

Auch privat achtet er sehr auf Sicherheit. "Beim Grillen, Fondue oder beim Anzünden von Kerzen steht immer ein kleiner Feuerlöscher griffbereit", sagt er. Als Profi für Explosives und Brennbares weiß er um die Gefahren, auch wenn während seines Berufslebens nichts Schlimmes passiert ist. Die Tatsache, dass ihm die rechte Hand fehlt, ist auf einen Autounfall zurückzuführen, den er als junger Mann hatte.

Bei Filmdrehs ist Günther Schaidt seit 15 Jahren nicht mehr dabei. "Das Showgeschäft hat sich sehr verändert", sagt er. "Filmproduktionen werden kaum noch im Voraus geplant, und es darf alles nichts mehr kosten." Die Produktionen seien oft nicht mehr glaubwürdig und die Meinung eines Experten nicht mehr gefragt. Bei einem Tatortdreh wurde eine Geisel mit Benzin übergossen. Ein Polizist erschoss den Gangster in dem Raum voller Brennflüssigkeit. Im Film ging natürlich nichts in die Luft. "Völlig unrealistisch", sagt Günther Schaidt. "Als würde der Zuschauer das nicht merken." Damit sollen sich heute andere rumärgern. Günther Schaidt tüftelt lieber in seiner Werkstatt in Schenefeld an neuen Illusionen. Seinen neuesten Clou will er aber noch nicht verraten.