Beratungszeiten der Awo-Schuldnerberatung sind langfristig ausgebucht. Immer mehr Akademiker und Selbständige suchen Rat

Kreis Pinneberg. Vor 25 Jahren nahm die Awo-Schuldnerberatung im Kreis Pinneberg ihre Arbeit auf. "Einzelkämpfer" und Leiter in der seinerzeit ersten spezialisierten Schuldnerberatung Schleswig-Holsteins war schon damals der Industriekaufmann und Diplom-Sozialpädagoge Michael Danker. "Damals war es undenkbar, dass das Lehrerehepaar oder der Arzt von nebenan Rat wegen völliger Überschuldung suchten." Heute gehören neben der mit Abstand größten Gruppe, den Hartz-IV-Empfängern mit fast 50 Prozent der Beratungen, auch Akademiker und Selbstständige zum normalen Klientel der Schuldnerberatung.

"Überschuldung kann jeden treffen", sagte Danker. "Mit der Unterschicht hat das nichts mehr zu tun." Was sich seit vielen Jahren abzeichnet, wurde auch 2009 und zu Beginn des laufenden Jahres deutlich: Die Schuldenproblematik ebbt keineswegs ab, vielmehr werden die Beratungsbüros regelrecht überrannt, die Sprechzeiten sind ständig ausgebucht.

Mehr als 4500 Hilferufe wurden im vergangenen Jahr registriert

Mehr als 4500 Mal wurden die Beraterinnen und Berater voriges Jahr um Hilfe gebeten - ein Ansturm, dem sie nicht mehr nachkommen konnten. Es wurde auf eine sogenannte Basis-Beratung via Telefon, online oder im Gespräch ausgewichen, und zwar mehr als 3100 Mal. Weiterhin betreuten die Awo-Schuldnerberater im Kreis Pinneberg allein im vorigen Jahr 1421 Intensivberatungsfälle, davon 418 Insolvenzberatungen.

Folge des "Runs" auf die Schuldnerberater: Die Warteliste wird immer länger, bereits im Februar und März wurden Termine für das nächste Jahr vergeben. Enttäuschung, Panik und Aggressivität auf Seiten der Ratsuchenden sind häufige Reaktionen auf die schleppende Terminvergabe. Jeder fünfte Schuldner kommt mittlerweile mit einem ambulanten oder vom Gericht bestellten gesetzlichen Betreuer. Psychische Probleme der Ratsuchenden nehmen ständig zu, entsprechend auch die Dauer der Betreuung im Einzelfall. Genau 4,6 Beratungskräfte müssen für über 300 000 Einwohner im Kreis da sein. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts waren die Personen, die von Schuldnerberastungsstellen betreut wurden, im Durchschnitt mit 37 000 Euro verschuldet.

Reform es Kontopfändungsschutzes wird die Situation verschärfen

Hochgerechnet gilt jeder zehnte Erwachsene in Deutschland als überschuldet oder weist "nachhaltige Zahlungsstörungen" auf.

Und die Lage wird noch ernster, befürchtet Danker. Die Wirtschaftsauskunftei Bürgel erwarte in diesem und nächsten Jahr aufgrund der Wirtschaftskrise eine Zunahme von Privatinsolvenzen um bis zu sieben Prozent, hauptsächlich aufgrund der wachsenden Arbeitslosigkeit.

Ab Sommer dieses Jahres dürfte die Berastungssituation in den Schuldnerberatungsstellen noch dramatischer werden. Am 1. Juli tritt die Reform des Kontopfändungsschutzes in Kraft. Banken und Sparkassen müssen auf Antrag der Kontoinhaber ein bestehendes Girokonto in ein sogenanntes P-Konto (Pfändungsschutzkonto) umwandeln. Ein fester monatlicher Grundbetrag von 985,15 Euro bleibt pfändungsfrei. Bestehen gesetzliche Unterhaltspflichten, kann dieser Grundbetrag angepasst werden - vorausgesetzt, es liegt eine entsprechende Bescheinigung vor. Diese dürfen laut Gesetz Rechtsanwälte, Arbeitgeber, Familienkassen, Sozialleistungsträger und anerkannte Schuldnerberatungen ausstellen. Insbesondere auf die Schuldnerberatungsstellen dürften dadurch weitere Mehrbelastungen zukommen.

Die Awo bietet Informations- Veranstaltungen zur Prävention

Dass die Awo-Schuldnerberatung "nebenbei" 93 wichtige Präventionsveranstaltungen in den vergangenen vier Jahren für Schüler, Azubis sowie Lehrer und Multiplikatoren durchführte, gerät angesichts der Vielzahl von Aufgaben fast in den Hintergrund.

www.awo-unterelbe.de