Studierter Biologe schleift, lackiert und schraubt, um die Planken aus Teak, Mahagoni und Eiche für den Sommertörn in Schuss zu halten.

Wedel. Nur die einsame Mirabelle erinnert an einen Nutzgarten im herkömmlichen Sinne. Ansonsten ist der Grund und Boden hinter dem Einfamilienhaus in der Wedeler Bergstraße besetzt von "Kalte Ente" und "Beule", von "Libertas IV", "Swantje", "Wat denn" und den anderen acht schlanken Schönheiten von Thorsten Wildies. Es sind historische Segeljollen, vorwiegend aus Holz. Sie sind die Leidenschaft des studierten Biologen, dessen Herz für Segeln und See schlägt, seitdem ihn seine Eltern im Alter von sechs Monaten auf den ersten Törn mitnahmen.

Nicht einmal jeder Segelverein kann eine Flotte von gleich 13 Booten vorweisen - und so schicke Oldtimer schon gar nicht. "Ich bin eben ein bisschen nostalgisch", sagt Wildies. Und das macht ihm jede Menge Arbeit. Denn während der Aufwand für moderne Kunststoffjollen, von Holzbootfans trefflich "Joghurt-Becher" genannt, in Grenzen bleibt, kann man in ein Boot aus Eiche, Mahagoni, Teak und dergleichen beinahe beliebig viele Arbeitsstunden investieren. "Im Winterlager brauche ich pro Schiff zwischen 30 und 50 Stunden, um es in Schuss zu halten", berichtet Wildies. Da wird geschliffen und lackiert, gehobelt und geschraubt und auf alle erdenkliche Weise gebastelt und getüftelt.

"Der Übergang von der üblichen Wartung bis zu einer aufwendigen Sanierung ist dabei fließend." Denn sobald größere Reparaturen anstehen, mutieren selbst Ewigkeiten zu Augenblicken. "Das Erneuern von Spanten beispielsweise kostet schon seine Zeit - zwei Stunden für einen Spant sind da nix." Da werden zunächst die verleimten Holzpfropfen mit einem Stecheisen aus den Planken geprökelt, um an Nägel oder Nieten zu gelangen. Vorsichtig wird das alte, zumeist zerbrochene oder vergammelte Holzstück entfernt. Danach muss eine neue "Schiffsrippe" erst einmal individuell hergestellt werden. Dafür hat sich Wildies eine Dampfkiste gebastelt, in der das harte Holz je nach Dicke bis zu einer Stunde in einen biegefähigen Zustand versetzt wird. Danach muss alles schnell gehen, damit die Dauer-Bedampfung nicht umsonst gewesen ist: Sorgsam und doch rasch muss Wildies anpassen, biegen und auf den Bodenwrangen verschrauben oder vernieten. "Und wenn dann ein Spant reißt, was häufiger mal vorkommt, geht es von vorne los."

Ob Weser- oder Niedersachsen-, Hansa-, O-, Z- oder Elb-H-Jolle - bei dem Bedürfnis nach Pflege unterscheiden sich die Jollen-Typen nicht. Kein Wunder, denn sie stammen zum Teil aus den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Jedes Boot hat seine ganz besondere Geschichte und wenn Thorsten Wildies sie mit leuchtenden Augen erzählt, dann reicht ein langer Winterabend bei Grog oder Glühwein lange nicht aus. Dann gerät er ins Schwärmen über den genialen Konstrukteur Grünhagen oder die legendäre Werft Abeking & Rasmussen, die heute - "leider, leider" - fast nur noch Luxus-Yachten für Superreiche auf Kiel legt statt elegante Jollen. Dann erfährt man die feinen Unterschiede und jeweiligen Vorzüge von Karweel- oder Klinker-Bauweise und kann sich je nach Gusto den Glaubensgemeinschaften der Hoch- oder Gaffeltakelung anschließen.

Seitdem Thorsten Wildies mit 15 seine erste eigene Jolle bekam, hat er sich immer tiefer in die Materie eingearbeitet. Zwar guckte er sich bei Bootsbauern einiges ab, doch seine handwerklichen Fähigkeiten eignete er sich überwiegend selbst an - und konnte dabei auch auf die Erfahrungen seines Vaters Arno zurückgreifen, der sich sein eigenes Schiff gebaut hatte.

"Ich versuche, meine Boote in einen Zustand zu versetzen, der dem Original möglichst nahe kommt", sagt Wildies. Das ist oft gar keine einfache Angelegenheit. "Versuch du mal, heute noch vernünftige Kupfernägel zu bekommen - kaum möglich!" So durchforstet er das Internet und maritime Flohmärkte und ist in der Skipper-Szene ständig mit gespitzten Ohren unterwegs, um zu erkunden, wer wo möglicherweise noch Materialien im Angebot hat, die man vielleicht noch mal irgendwie verwenden kann. Kein Wunder, dass der Keller im Haus seiner Eltern von Blöcken und Beschlägen, von Holzstücken, Latten und Schrauben und dergleichen geradezu aus den Fugen gerät.

Besonders heikel wird es, sobald er beim Stöbern ein neues altes Schiff entdeckt, das zum Verkauf steht oder dem vielleicht das Zersägen und Verfeuern droht. Dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Wildies seine 14. Grazie für Wind und Welle trifft. Er sagt: "Ein neues Spielzeug - da kann man nicht widerstehen." Doch dann muss ein größerer Garten her.