Vor 16 Jahren stürzte Michael Zimmeck vom Felsen auf Helgoland - danach ging seine Welt in Trümmer. Nachwirkungen des Unfalls werden immer weniger. Gute Chance für Aufhebung der rechtlichen Betreuung.

Pinneberg/Norderstedt. Vor 16 Jahren überlebte er den 30 Meter tiefen Sturz von der Klippe auf Helgoland, lag acht Wochen im Koma. 15 Monate musste er mühsam in Kliniken und Reha-Zentren das Sprechen und Laufen wieder lernen. Sein Leben lag in Trümmern, die Ehe mit seiner ersten Frau Constanze zerbrach. Nun kämpft Michael Zimmek, inzwischen 48 Jahre alt, den, wie er sagt, "größten Kampf meines Lebens". Den Kampf um seine beiden Töchter aus zweiter Ehe mit Birgit W. Denn auch die verweigert ihm den Umgang mit Carolin (10) und Marleen (8), wie es schon seine erste Frau tat, als sie kurz nach dem Unfall mit der damals zwei Jahre alten gemeinsamen Tochter Janina verschwand. Seitdem hat Zimmek die heute 18-Jährige nicht mehr gesehen. Das soll ihm auf keinen Fall noch mal passieren, hat sich der gebürtige Ellerbeker geschworen, der heute in Norderstedt wohnt. "Damals war ich zu schwach. Heute lasse ich mir das nicht mehr gefallen. Ich will auch zeigen: Wer den Mut hat dafür zu kämpfen, was er erreichen will, schafft das auch."

An den tragischen Unfall, der sein ganzes Leben veränderte, kann sich Zimmek nicht mehr erinnern. Er war im Juli 1993 zu einem Fußballspiel auf die Insel gekommen, feierte ausgiebig und stürzte in der Nacht den Felsen herunter. Dabei erlitt er ein Schädelhirntrauma.

Heute denkt Zimmek, dass es womöglich gar kein Unfall war. Er hatte damals hohe Spielschulden. "Ich glaube, ich wollte mir das Leben nehmen." Umso mehr kämpft er seitdem. Das Sprechen fällt ihm nicht leicht, manchmal muss er nach Worten ringen. Er hat seinen Geruchs- und Geschmackssinn verloren, kann sich nur schwer konzentrieren und schweift ständig ab. Seinen gut bezahlten Job als Dreher in einer Maschinenfabrik musste er aufgeben. Heute lebt er von einer Erwerbsunfähigkeitsrente von 1400 Euro und hat einen kleinen Job als Hofreiniger bei einer Firma in Norderstedt. Seit zehn Jahren arbeitet er da. "Die sind sehr zufrieden mit mir."

2003, die Kinder waren da zwei und vier, begann der Streit mit seiner zweiten Frau, die er über eine Zeitungsannonce kennen lernte und 1998 geheiratet hatte. Die Familie war nach Buxtehude gezogen. Sie habe nur auf seine Kosten gelebt und sei dem Alkohol verfallen, sagt er über seine Frau. Es gab ständig Streit, sie machte ihm Vorwürfe, drohte und beleidigte ihn. 2006 wurde die Ehe geschieden. Für ihren Mann beantragte Birgit W. vorher noch die Vormundschaft. Das verzeiht er ihr bis heute nicht.

Michael Zimmek hat seitdem einen Betreuer von Amts wegen. Der sei zwar nett, aber er brauche ihn nicht mehr, sagt er. Er will endlich für sich alleine entscheiden. Das zuständige Amt für Jugend und Soziales in Bad Segeberg sieht das genauso. Zimmek sei kommunikativ und kontaktfreudig, eine rechtliche Vertretung sei nicht mehr nötig und "alsbald aufzuheben", schrieb die Betreuungsbehörde im Juli dieses Jahres an das Vormundschaftsgericht in Norderstedt. Und der ärztliche Gutachter fordert nach seinem Besuch in Zimmeks Wohnung im Oktober: "Aus ärztlicher Sicht muss die rechtliche Betreuung aufgehoben werden." Betreuer Jürgen Froh sieht das ähnlich. Zwar habe er Zimmek bei seinen Problemen sicherlich helfen können. "Ich könnte mir aber vorstellen, dass er es alleine schafft."

Das war die zweite gute Nachricht in diesem Jahr für Zimmek. Einen Monat zuvor hatte er endlich vor Gericht durchgesetzt, dass er seine beiden jüngsten Kinder wieder sehen darf. Alle zwei Wochen könne er Carolin und Marleen unter Aufsicht in Wedel treffen, wo diese bei ihrer Mutter leben, entschied das Familiengericht Pinneberg Mitte Juni. Das erste Wiedersehen zwei Wochen darauf wurde von einer Mitarbeiterin der Sozialen Dienste des Kreises sehr positiv beschrieben: "Alle drei spielen zusammen. Es macht den Eindruck, als haben alle Spaß", schrieb sie im Juli. Die kleine Marleen schmust sogar mit dem Vater. Von da an kam nur noch die jüngere Tochter. Carolin möchte ihren Vater nicht sehen, ließ die Mutter ausrichten. Zimmek will sich nicht damit abfinden. "Ich liebe sie alle beide. Ich würde alles für sie tun." Er glaubt, seine Ex-Frau wolle ihm die Kinder vorenthalten, rede schlecht über ihn. "Aber da muss ich jetzt durch. Ich bin ein Kämpfer." Wenn er stürzt, steht er wieder auf. Das hat er schon mal bewiesen.